Full text: Luftfahrten im Frieden und im Kriege

  
  
Über den Waſſern. 13 
  
  
Borausgeſebt überhaupt, daß ein erreichbares jenſeitiges Ufer vor- 
handen iſt und man nicht etwa auf den offenen Ozean hinaus- 
treibt. 
Eine Fahrt über die Zuiderſee mit knapp drei Sa> Ballaſt 
zu wagen, halte ich ſchon für verbrecheriſchen Leichtſinn. Hat man 
aber noch eine überreichlihe Zahl von Sandfäden und ſtetigen 
Wind bei dauernder Wetterlage, mit einem ſtarken und nicht {nell 
marjchierenden Marimum im Rüden, dabei blauen Himmel über 
ſich, alſo lauter günſtige Bedingungen, dann kann man, wenn man 
nicht gerade Richtung auf den Bottniſchen Meerbuſen hat, rubig 
die Oſtſee überfliegen. Der „Sicherheitskoeffizient“ iſt dann über- 
reichlich. 
Ein bekannter Führer ift einmal über die Oſtſee geflogen 
und mitten in einer Winternacht an der Nordſpiße der \chwediſchen 
Znſel Oeland gelandet. Um ein Haar wäre man vorbeigeraten. 
Der Flug über das Meer war ahnungslos unternommen worden. 
Man kam an eine große Waſſerfläche. „Das iſt der Mürißſee in 
Medlenburg!“ fagte der Führer; aber der See wollte nicht enden, 
es zeigte ſih kein Ufer, und die fchredliche Gewißheit eine halbe 
Stunde ſpäter lautete: Wir ſind irgendwo auf der Oſtſee. 
Nach einer Fahrt läßt ſie ſich im Bordbuch leicht refonjtruieren, 
wenn man Aufjtiegs- und Landungsprt hat und einige der über- 
flogenen Punkte auf der ungefähren Luftlinie einträgt. Solches 
nachträgliche „Friſieren“ des Fahrtberichtes kommt häufiger vor, 
als man denkt. Leider ift nur ein Teil unferer Ballonführer Militär 
geweſen, alſo im Rartenlefen geübt, nur ein Heiner Seil beim Ruft- 
ſchifferbataillon felbjt ausgebildet. Das meifte Unglüd tommt daher, 
daß die Herren die Orientierung verlieren und 
abnungslos auf das Meer hinaustreiben. Hat man von Berlin aus 
Richtung nach Südweſt, Süd, Südoſt, Oft, dann mag es genügen, 
wenn man mit dem Kompaß immer wieder irgendeinen Punkt 
auf der Erde, den man hinter ſih gelaſſen hat, anviſiert und feſt- 
ſtellt, daß man immer no< Fahrtrichtung landeinwärts hat. Geht 
es aber nach Norden, dann genügt das nicht. Dann muß man fich 
in jedem Augenblid ar darüber fein, wo man ſich genau be- 
findet; und darum darf man bei einer ſolchen Fahrt auch nicht etwa 
längere Zeit über den Wolken hinfegeln, ſondern muß, mindeſtens 
in kurzen Abſtänden, immer wieder in Sicht der Erde gehen. 
 
	        
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