Full text: Luftfahrten im Frieden und im Kriege

   
    
  
  
36 Im SFreiballon, 
  
  
faßt hatte und der Ballon von dem Winde kräftig und wiederholt 
auf die Erde geſtoßen wurde, aus Leibeskräften bis zur Entleerung 
der Hülle am Ventil zog. Oder man ſprang im Fntereſſe ſeiner 
Knochen ſofort aus dem Korbe und ließ den Ballon ſich alleine 
austoben oder gar weiterfliegen. Heute zählt man bald nicht mehr 
zu den Gebildeten, wenn man nie in den Lüften geſchwebt hat, 
und der Deutſche Luftfahrerverband umfaßt Zehntauſende von 
Mitgliedern, darunter annähernd 900 Führer — innerhalb eines 
Menſchenalters hat ſich der ungeheure Aufſchwung vollzogen. 
Dabei ift der Freiballon jchon ein recht alter Bekannter der 
Menſchheit. Selbſtverſtändlih behaupten auch hier die Chineſen, 
am früheſten aufgeſtanden zu ſein: ſchon bei der Krönungsfeier 
des Kaiſers Fo-Kien, eines Zeitgenoſſen unſerer Minneſänger, 
ſei in Peking ein Ballon aufgeſtiegen. Die erſte bekannte Abbildung 
eines derartigen Luftfahrzeuges findet ſich aber im Fahre 1490 im 
Rüft- und Feuerwerksbuch der Stadt Frankfurt a. M. Wie ſo 
vieles andere in Technik und Kunſthandwerk im dreißigjährigen 
Kriege unter Schutt und Trümmern begraben wurde, ſo gingen 
auch dieſe Erinnerungen verloren. Erſt der 5. Funi 1783, wo die 
Brüder Montgolfier in AUnnonay in Frankreich den 
erſten Heißluftballon öffentlich aufjteigen ließen, gilt als der Ge- 
burtstag der Luftſchiffahrt. Eine echt franzöſiſche Legende knüpft 
ſich an dieſes Ereignis. Wie Newton durch den Fall eines Apfels 
zur Entdeckung der Schwerkraft kam und Watt über einem ſummenden 
Teekeſſel auf den Gedanken der Dampfmaſchine geriet, ſteht faſt 
in jedem Schulleſebuch. Der eine der Montgolfiers aber, der ein 
artig Ehegeſpons ſein eigen nannte, ſah eines Tages, wie ſeine 
Frau einen hauchzarten batiſtenen Unterro>, der aus der Wäſche 
gekommen war, zum Trodnen über dem niedrigen Ofen aufhängte. 
Er hing an einem Bindfaden von der Dede herunter, Allmählich 
nun, während der Meiſter Papierfabrikant in tiefem Sinnen vor 
dem Ofen ſtand, begab ſich etwas Wunderbares: der Unter- 
ro> blähte ſich in der warmen aufjteigenden Luft zur 
Slodenform und [hwebte langfam bis zur Dede 
empor! 
So alſo wurde, wie die galanten Franzoſen behaupten, der 
Gedanke geboren, daß Dinge „leichter als die Luft“ herzuſtellen 
und zum Fliegen zu benugen ſeien. Wärme dehnt aus, Kälte zieht 
   
	        
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