Full text: Luftfahrten im Frieden und im Kriege

   
  
  
  
44 Im Freiballon. 
  
  
Zwei Tage über Fh hab’ meine Sach? auf 
: nichts gejtellt, juchhe! fummte 
und in Ungarn. ich flillvergnügt und unermüdlich 
vor mich hin und ftrahlte übers 
ganze Geſicht, wie nur ein Sonn- 
tagsfkind ſtrahlen kann. Man ſchüttelte den Kopf. Was ſei denn mit 
mir los? O, eine wunderſchöne Reiſe täte ich machen, am Grün- 
donnerstag Nachmittag ginge es los. Wohin denn? Ja, das wüßte 
ich noch nicht; irgendwohin in Europa. Wann ich denn das Reiſeziel 
erführe? 9, erjt bei der Ankunft am Ziel! Und ich ſtrahlte immer 
mehr, und das Ropfjchütteln der andern wurde immer teilnehmender. 
Der Leberecht iſ verrü>t geworden, das ſtand bombenfeſt, aber 
es war immerhin eine ſanfte Verrücktheit, wie bei dem berühmten 
Namensvetter, wie bei Leberecht Hühnchen. 
Schließlich verriet ich des Rätſels Löſung doh. Es ginge in 
die Lüfte! Nach langer Pauſe wieder einmal eine Fahrt im Frei- 
ballon. Ze ärger es in den Tagen davor hier unten ſtürmte, deſto 
mehr freute ich mich auf die himmliſche Ruhe, auf das ſelige Dahin- 
gleiten. Und alleweil morgens mit einem Sat aus dem Bett hinaus 
und ans Fenſter: Wohin ziehen die Wolken? Wenn 
wir heute flögen, kämen wir nah Danzig. Oder nach Pillwiſchken. 
Oder nach Petersburg. Morgen ſieht es {hon anders aus. Sicher- 
lich geht es nah Partenkirchen. Oder nach Mailand. Oder nach 
Livorno. Der große Andree bekommt bei uns nie ſo viele Eſels- 
ohren, wie in den Tagen vor einer Ballonfahrt, denn die ganze 
Familie wälzt ihn und ſelbſt der Kleinſte ſchiebt ſein Schmutßfinger- 
chen bis an die Pyrenäen: „Dahin fliegen!“ Bis in die Küche 
pflanzen ſich die Wellen der freudigen Erregung fort. Die Kaſſerollen- 
fee ſchüttelt ſich, tro>net beſonders energiſch ihre Teller und meint 
entrüſtet, keine zehn Pferde brächten ſie über die Wolken. Aber 
der Diener, ein braver Waſſerpola> aus Oberſchleſien, ſtellt die 
Teller zärtlich hin und ſagt: „Wenn Herr Läbberecht ſagt, Vinzent, 
brauch ich dich, kommſt du mit Ballon, is ſerr fchön, komm ich mit!“ 
Ach, es gibt nichts Reizvolleres, als dieſe Tage der Vorfreude 
und des Richtungratens. Eine Fahrkarte kaufen, an einen be- 
ſtimmten Ort reiſen, ſeine beſtimmten Erwartungen erfüllt oder 
enttäuſcht ſehen, das ift nichts. Da fehlt jede Spannung; und das 
Hoteldiner zu 3,590 Mark iſt in Oberhof und in Biarriß und in Tokio 
    
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
	        
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