58 Am Freiballon.
der Morgen Landes bringt jährlich netto 115 Mark, und es gibt
Bauerngüter mit mehreren hundert Morgen. Auch ein pracht-
volles Abendbrot wurde aufgefahren; für dieſen E£onfiftenteren
Feil zeichnete als verantwortlicher Gaſtgeber der Notär des
Ortes (rechtstundiger Gemeinderat), ein liebenswürdiger Madjar,
ohne daß wir uns wehren konnten.
Das iſt ja immer ſo, wenn Luſftſchiffer irgendwo aus den
Wolken fallen. Ft erſt der erſte Anſturm des Pöbels überwunden,
ſo zeigt ſich der Reſt der Menſchheit als edel, hilfreich und gut.
Zeder will einem etwas Liebes antun, wie einem aus dem Waſſer
gezogenen Schiffbrüchigen. Schüchtern errötend, wie ein junges
Mädchen auf einem Dichterkongreß, naht ſich uns ein junger Student,
der zu den Dfterferien auf die väterlihe Scholle zurüdgekehrt ift,
und bittet uns um unſer Autogramm in fein Notizbuch, Der Orts-
arzt, der Vizenotär, der Lehrer und der emeritierte Rektor machen
bunte Reihe mit uns, fragen uns aus und laſſen ſich ausfragen,
— und die Auskunft ift ſtets offenherzig und ohne Hintergedanken,
denn wir ſind ja weder Steuerbeamte, noh Reporter, noch Kur-
gäſte, und ſo erfahren wir im Handumdrehen viel Wiſſenswertes
über Land und Leute, über Wirtſchaft und Politik, was einem
verborgen bleibt, wenn man ſich an die breite Heerſtraße hält. Mit
einem Einſchiebſel wird hier in der Rede viel Luxus getrieben,
mit dem Worte „beileifit“. Wie groß beiläufig unſer Ballon
ſei. Unſere Depeſchen ſeien beiläufig ſhon abgeſandt. Wir müßten
beiläufig in Darjas übernachten, Wohin wir beiläufig dann führen.
Fn Ofen-Peſt gebe es beiläufig großartige Zigeunermuſik. Aber
wir fühlen uns bei allem „beileifik“ ſehr wohl und ſind nur baß
erſtaunt, daß in dieſer E>e des „ungariſchen Globus“ vom Nationali-
tätentampf, von dem wir immer leſen, äußerlich ſo wenig zu ſpüren
iſt, Nnterbeamte der Eiſenbahn und Ofen-Peſter Schußleute haben
uns auf unſere Fragen ſpäter häufig angeknurrt: „Nix deitſch!
Moòdjar !“, aber hier im Temesvarer Komitat ſprechen und trinken
alle gemütlich miteinander, „wie's trifft“, und wir merken zu unſerem
Erſtaunen, daß auch die Deutſchen hier etwas beſizen, das wir
nie bei ihnen vermutet hätten: ungariſches Staats-
bewußtſein. Wohl haben ſie Empfindung dafür, daß fie
in einem Gewaltſtaat leben, wohl erzählen ſie — nur faſt zu gleich-
mütig — von der Art, wie hier Wahlen „gemacht“ werden, wohl