Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
178 Falck, die klinisch wichtigen Intoxicationen. 
deren Dingen in Betracht, auf die mitunter die Aufmerksamkeit der Aerzte 
und Laien nur wenig gerichtet ist. So können Bleidämpfe und Bleiemana- 
tionen, wie sie bei dem Schmelzen des Bleis und bleihaltiger Composi- 
tionen, so wie bei dem Anstreichen der Wände mit terpentinhaltigen Far- 
ben entstehen, die Bleikolik über kurz oder lang zu Stande bringen, wie 
durch mehrfache Beobachtungen und Experimente bewiesen ist. So kön- 
nen Trinkwässer, welche in bleiernen Behältern sich befinden, oder durch 
Bleiröhren hindurchgehen, namentlich wenn sie arm an schwefelsauren 
Salzen und reich an Kohlensäure sind, eine zu Erzeugung der Bleikolik 
hinreichende Menge von Blei in Lösung enthalten. So können Weine, 
Obstweine (Cyder), Essig und andere Consumtibilien, wenn sie, wie es 
so häufig geschah, wegen ihrer Säure oder ihres trüben Ansehns mit 
Bleizucker oder Bleiglätte versetzt werden, nicht nur vereinzelte, sondern 
selbst massenhafte Fälle von Bleikolik veranlassen, so dass die Krankheit 
gleichsam wie eine endemische oder wie eine epidemische, die 
Bewohner einer bestimmten Localität für lange Zeit oder zu bestimmten 
Zeitfristen höchst auffallend erfasst. So können ferner die verschiedensten 
Nahrungsmittel und Genussmittel, wenn sie in bleiernen, zinnernen, schlecht 
glasirten Geschirren zubereitet und aufbewahrt werden, Bleipartikel in sich 
aufnehmen und über kurz oder lang bei wenigen Individuen (z. B. den 
Mitgliedern einer Familie), oder bei Vielen (den Bewohnern von Kasernen, 
Waisenhäusern, Gefängnissen, den Abonennten der Garküchen u. s. w.) 
die Bleikolik veranlassen. So können endlich bleihaltige Utensilien und 
Geräthschaften, wie z. B. bleihaltige Drucklettern, bleihaltige Kinderspiel- 
sachen u. Ss. w., welche fortwährend durch die Hände gehen und an den 
Fingern Blei absetzen, bei beständiger und langer Zufuhr des Bleies in 
den Körper die Bleikolik zu Stande bringen. 
$. 163. Die Wege, auf welchen das Blei in den Körper eindringend 
die Bleikolik zu erzeugen vermag, sind mannichfach. Dass die Präparate 
und Abkömmlinge des Bleis durch den Tractus des Speisecanals und 
durch die Luftwege in das Blut überzugehen vermögen, kann im Ange- 
sichte vieler Versuche an Menschen und Thieren nicht bezweifelt werden. 
Aber man hat auch Bleikoliken beobachtet, welche bei Menschen auf- 
kamen, die bleihaltige Collyrien auf die Augenschleimhäute oder bleihal- 
tige Injectionen auf die Schleimhaut der Vagina applicirten, woraus her- 
vorgeht, dass auch diese Schleimhäute das Blei zu resorbiren vermögen. 
Noch am meisten Zweifel bestehen über die Resorptionsfähigkeit der mit 
unverletzter Epidermis bedeckten Lederhaut, denn während Tanquerel 
nach seinen Beobachtungen und Experimenten dieses Organ zur Resorp- 
tion und Fortführung der Bleipräparäte für ungeeignet erklärt, behaupten 
Flandin, gestützt auf Experimente, und ältere Aerzte (Widekind, 
Brammbilla u. A.), gestützt auf klinische Wahrnehmungen, dass selbst 
die unverletzte Haut Abkömmlinge des Bleis zu resorbiren vermöge. Was 
die Zuführung der Bleipräparaie zu den verschiedenen Atrien des Kör- 
pers betrifft, so hängt dieselbe von mancherlei Umständen ab. Personen 
die Blei oder Bleilegirungen schmelzen und den Bleidämpfen ausgesetzt 
sind; Personen die in einer mit Bleistaub geschwängerten Atmosphäre lange 
Zeit zu bringen müssen, wie viele Arbeiter in Bleiweissfabriken und anderen 
Werkstätten; Personen, die in Zimmer sich aufhalten oder schlafen, die 
mit Bleifarben und Terpentin frisch getüncht sind und den Bleiemanationen 
ausgesetzt sind, nehmen das Gift am leichtesten durch die Luftwege auf 
und werden um so sicherer von der Bleikolik erfasst, je länger sie den 
Bleidämpfen und Bleiemanationen ausgesetzt bleiben. Personen, welche 
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