Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Blei- Arthralgie. 193 
betrachtet werden. Die Stelle, wo dieser Schmerz auftritt, kann sehr va- 
riiren. Am häufigsten sind die unteren Extremitäten, etwas seltener die 
obern und untern Extremitäten zu gleicher Zeit, noch etwas seltener die 
obern Extremitäten und am seltensten die Lenden, die Brustwandungen, 
der Rücken, der Hals, der Kopf der Sitz des Schmerzes. Merkwürdiger 
Weise sind dabei die Flectoren der Muskulatur viel häufiger schmerzhaft 
ergriffen, als die Extensoren, was bei der saturninen Lähmung sich um- 
gekehrt verhält. Ebenso wird der Schmerz in der Gegend der Epiphysen 
und der Gelenkenden häufiger empfunden, als in der Mitte der Glieder, 
was wegen der Diagnose alle Beachtung verdient. Nach seinem Charak- 
ter ist der Schmerz sehr verschieden. Bald ist derselbe reissend, bald 
stechend, bald electrischen Schlägen gleich, bald mehr dumpf, bald wu- 
selnd, kriebelnd, prickelnd, bohrend, bald von einem besonderen Kälte- 
oder Hitzegefühl begleitet. Nach seiner Intensität kann der Schmerz von 
der leisesten unbehaglichen Empfindung bis zu der stärksten Marter durch 
alle Abstufungen des Schmerzhaflen variiren, wornach man eine leichte, 
eine mässige und eine heftige Arthralgie unterscheiden kann. Ist der 
Schmerz und somit die Arthralgie hefiig, so befindet sich der Patient ge- 
rade so wie bei der Kolik in der grössten Aufregung und Agitation. Mit 
verzerriem Gesicht jammert und schreit der Patient, während er unauf- 
hörlich seine Lage wechselt und zur Linderung des Schmerzes alle mög- 
lichen Stellungen einnimmt. Indessen ist die Intensität des Schmerzes nicht 
continuirlich, sondern remittirend und somit folgen auf die Exacerbationen 
nach kürzeren oder längeren Intervallen immer wieder Remissionen, in 
welchen der Schmerz nachlässt und nur Unbehaglichkeit, Prickeln oder 
Eingeschlafenheit, oder andere leichte Sensationen empfunden werden. Ist 
der Schmerz und somit die Arthralgie minder heftig, so ist auch die Auf- 
regung und Agitalion des Patienten minder bedeutend oder gar nicht vor- 
handen. Der Ausbruch der schmerzhaften Exacerbationen erfolgt in der 
Regel ganz spontan, kann aber auch durch jede Bewegung, oder durch 
Abkühlung oder Erwärmung des leidenden Gliedes künstlich veranlasst 
werden. Wie bei der Kolik lassen sich die arthralgischen Schmerzen mei- 
stens durch Druck vermindern; indessen darf der Druck nur leise sein, 
denn bei starkem Druck wächst in der Regel der Schmerz. Durch Wärme 
und Kälte werden die arthralgischen Glieder verschieden berührt; in man- 
chen Fällen mindert die Wärme den Schmerz, während die Kälte ihn stei- 
gert, in andern Fällen ist die Wirkung der Wärme und Kälte ganz umge- 
kehrt. Gleichzeitig mit dem Schmerz und in Folge desselben tritt eine 
auffallende Retraction der Muskeln des leidenden Gliedes ein, die zu Zit- 
tern, Krämpfen, Steifigkeit, tetanischer Streckung (Trismus dolorifieus, Sau- 
vages), wie zu harten, höckrigen Geschwülsten der Muskulatur Anlass ge- 
ben kann. Die Bewegung der affieirten Theile ist während der Exacer- 
bationen begreiflich durch Schmerz und Krampf behindert, aber bei der 
Remission des ‘Schmerzes häufig ganz ungestört. Temperatursteigerung, 
RKöthe, Geschwulst und andere Zeichen entzündlicher Affection sind an 
den arthralgisch affieirten Gliedern nicht zu finden. Der Puls der Patien- 
ten ist in der Regel normal, nur selten hart, langsam und vibrirend, noch 
seltener unregelmässig. Die Respiration ist nur bei heftiger Arthralgie 
während der Exacerbationen gestört. Das Nervensystem bietet ausser den 
Schmerzen, die keineswegs genau den Verlauf der Nerven- 
stämme, Zweige und Aeste verfolgen, sondern Sich mehr 
allgemein durch die Muskeln und andere Weichtheile, ja 
zuweilen selbst durch die Knochen ausbreiten, keine andern 
abnormen Erscheinungen dar, als dass bei heftiger Arthralgie Schlaflosig- 
Spec. Path. u, Therap. Bd. II. 13 
 
	        
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