268 Falck, die klinisch wichtigen Intoxikationen.
$. 372. Durch Schwefelsäure und Substanzen mit einem Gehalte
von freier Schwefelsäure können Verätzungen der Hautdecken und der
Augen *), der Mund- und Rachenhöhle, der Speiseröhre, des Magens und
Darms veranlasst werden, die zu den bedeutendsten Körperverletzungen
gehören. Besonders wichtig ist davon die Verälzung der ersien Wege,
welche im Folgendem speecieller betrachtet wird.
a) Verätzung der ersten Wege durch Schwefelsäure. (Gastroenteropathia sulphurica. Sul-
phoxysmus intestinalis.
Diese Affeelion kommt zu Stande, wenn eine genügende Menge von
mehr oder weniger concentrirter Schwefelsäure aus Unvorsichtigkeit oder
Absicht in die ersten Wege eingeführt wird.
ANATOMISCHE CHARAKTERISTIK.
$. 373. Je nachdem das Gift bald im Munde, im Scehlunde und in
der Speiseröhre, bald im Magen und Darme, bald an mehreren dieser
Stellen oder allen diesen Stellen zur Einwirkung gekommen ist, findet
man die deutlich ausgesprochenen Zeichen der Verätzung bald mehr ört-
lich beschränkt, bald über weite Sirecken ausgebreitet. Bei geringerem
Grade der Verätzung sind die Epithelien des Mundes, der Speiseröhre und
des Magens auffallend verändert, pergamentarlig geschrumpft, weiss ge-
färbt, leicht abziehbar oder abgestossen, die darunter liegenden Schleim-
häute mehr oder weniger stark entzündet und zuweilen selbst ödematös
oder ecchymotisch infitrirt. Ist das Gift bis in den Darm vorgedrungen,
so sind auch hier die Schleimhäute mehr oder weniger geröthet und zu-
weilen selbst infiltrirt. Bei stärkerer Verätzung bemerkt man braune oder
schwarze Schorfe oder erweichte, entzündete oder exulcerirte Stellen der
Mucosa oder selbst der daneben liegenden Museularis, oder Serosa. Bei
sehr starker Verätzung bieten die beiroffenen Stellen ein dunkles Ansehen
dar und sind entweder in eine schwarze, verkohlte Masse verwandelt
oder zu einer erweichten sphacelösen oder gangränösen Masse entartet,
oder von Perforationen durchlöchert. Im letzteren Falle findet man ergos-
sene Massen in der Bauchhöhle, mit verschiedenen Veränderungen an
den Organen des Unterleibs. Wurde die Intoxication verschleppt, so dass
das vergiftete Individuum längere Zeit am Leben verblieb, so findet man
an der einen oder anderen Stelle der ersten Wege bald die Zeichen der
Entzündung, bald der ulcerativen Desorganisation, bald narbige, callöse
oder stenotische Entartung.
SYMPTOME UND VERLAUF,
$. 374. Wurde eine zur Hervorbringung einer Intestinalaffection ge-
nügende Menge von mehr oder weniger concentrirter Schwefelsäure ver-
schluckt, so entsteht zunächst ein höchst intensiver, saurer und scharfer
Geschmack, sowie eine Sensation von starkem Brennen, das sieh über
den Mund, den Schlund und die Speiseröhre verbreitet. Wurde wie ge-
wöhnlich die Epiglotiis oder wohl gar die Glottis von dem Gifte berührt,
so folgen alsbald convulsivische Husten - und Erstickungsanfälle, die mit-
unter so bedeutend sind, dass der Tod bei ‘anhaltendem Glotliskrampfe
unter allen Erscheinungen der Asphyxie erfolgt. Ist das Gift durch die
*) Siehe einen interessanten Fall dieser Art in Edinb. med. et surg. Journ. XXX. 2.
231 — 233. 1829.