344 Virchow, Zoonosen.
beschränkt. Aus diesem Grunde werden wir versuchen, die streitigen
Punkte scharf hervorzuheben, damit jede Gelegenheit benützt werden
könne, welche geeignet ist, neue Aufschlüsse zu gewinnen. Der Skepti-
cismus, welcher in den letzten Jahren auch in diesem Gebiete immer zu-
versichtlicher hervorgeireten ist, erheischt ausserdem eine ausführlichere
Darstellung der bei den Thieren vorkommenden Erkrankung, und die
Wichtigkeit des Gegenstandes wird es entschuldigen, wenn wir hier etwas
breiter werden, als es auf den ersten Blick nöthig erscheinen möchte.
A. Die Wuthkrankheit der Thiere.
$. 7. Die Wuthkrankheit der Thiere, für welche es wohl am zweck-
mässigsten sein dürfte, den alten Namen der Lyssa oder Lytta beizube-
halten, kommt nach den übereinstimmenden Berichten der Beobachter haupt-
sächlich bei den Raubthieren (Ferae) und zwar insbesonderein den Familien
der Hunde und Katzen vor. Von dem Hunde, dem Fuchs, demWolf und der
Katze wird vielfach angenommen , dass sich die Krankheit bei ihnen pri-
mär oder spontan entwickele, während von den Wiederkäuern (Rindvieh,
Schaafen, Ziegen), den Einhufern (Pferd), den Schweinen und den Vögeln
nur die Möglichkeit einer, von den fleischfressenden Raubthieren auf sie
übertragenen Wuth zugestanden wird. _Allein gewichlige .Beobachter,
auf die wir zurückkommen werden, haben auch bei den Raubthieren die
Epigenese, die primäre, oder wie man aucl gesagt hat, die miasmatische
Entstehung der Lyssa in Zweifel gezogen, und wir werden uns daher zu-
nächst auf die Darstellung der milgetheillen traumatischen Form beim
Hunde, als dem für den Menschen besonders gefährlichen Thiere, beschränken.
Diese Form unterscheidet sich in ihrem späteren Verlaufe nicht von der
für spontan gehaltenen, ist aber namentlich desshalb wichlig, weil sie am
meisten Anknüpfungspunkte für die Zweifel geboten hat, welche in der
letztenZeit gegen die specifische Natur derHundswuth erhoben worden sind.
S. 8. DieLyssa traumaticabeimHund kennt man sowohl aus
den zahlreichen Krankenbeobachtungen gebissener Hunde, als aus experi-
mentellen Untersuchungen, wie sie namentlich von Hertwig angestellt
sind. Die Krankheit bricht gewöhnlich innerhalb 50 Tagen nach der Ver-
wundung aus. Manche Beobachter geben an, dass die ersten Erscheinun-
gen innerhalb der ersten Woche, ja schon einige Tag nach der Verletzung
begonnen hätten, allein die Erfahrungen der bewährtesten Thierärzie Spre-
chen dagegen. Blaine sah die Zufälle der Wuth nie vor dem Anfang
der zweiten Woche. Hertwig beobachtete die Krankheit nur bei einzel-
nen sehr wenigen Hunden 8 Tage nach dem erhaltenen Biss; Youatt
kannte keinen Fall, wo weniger als 17 Tage vergangen waren. Als die
gewöhnlichste Zeit scheint die 4. bis 6. (Hertwig) oder die 3. bis 7.
Woche (Blaine) bezeichnet werden zu können. Manchmal vergeht in-
dess eine noch längere Zeit, so dass der Ausbruch der Krankheit sich
bis in den 3. und 4. Monat hinauszieht; ja in einzelnen Fällen dauert
derselbe bis zu 5, ja 7 Monaten (Youati).
Die entstandene Wunde heilt manchmal mit grosser Schnelligkeit ohne
alle Zufälle; das anderemal entzündet sich die Umgebung, und es entsteht
eine beträchtliche Anschwellung, die jedoch kaum je einen gefährlicheren,
nur zuweilen einen leicht erysipelatösen Charakter anzunehmen scheint.
$. 9. Die Symptomatolo sie der Krankheit bietet je nach den
Unterschieden der Race, des Individuums, der allgemeinen Constitution