362 Virchow, Zoonosen,
Fermentkörper zu gewissen Zeiten in ungewöhnlich reich-
licher Quantität in dem Speichel auftritt- und dass dann
auch kleine Mengen von Speichel auf den Körper Wirkungen
auszuüben im Stande sind, wie sie sonst nur sehr grossen
zukommen*) Es würde bei einer solchen Voraussetzung möglich sein,
dass die Lyssa sich immer durch Biss oder Inoeulation foripflanzt, ohne
dass sie jedesmal aus Contagion hervorginge, da möglicherweise ein
Thier, dessen Speichel sehr reich an Ferment ist, von der Wulhkrankheit
selbst frei sein könnte. So würden sich Fälle erklären, in denen die
Wuth nach dem Bisse von Thieren entstanden sein soll, die später gesund
blieben **), und es würde damit die natürlichsie Lösung zwischen den. Con-
lagionisten und Epigenesisten scfunden werden. Auch würde dann im-
mer noch die speeifische Natur der Wuthkrankheit, wenn auch nicht
ebenso sicher die des Wuthgiftes stehen bleiben und man würde selbst
bei einer solchen Voraussetzung noch nicht zu der Ansicht Bruckmül-
ler's kommen, dass jeder Biss jeden Hundes die Krankheit erregen
könne.
$. 23. Die Diagnose der Wuthkrankheit bei Thieren lässt sich
nach dem früher Beigebrachten am wenigsten auf einzelne patlhognomoni-
sche Zeichen zurückführen. Zumal wenn man auch die anderen der Lyssa
zugänglichen Thiere berücksichtigt, so ergibt sich als das Charakterislische
eine gewisse Reihe localer Störungen, deren Verbindungsglieder und deren
genauere Begründung bis jetzt noch nicht vollständig bekannt sind. Es
scheint, dass eine kräfiig wirkende Fermentsubstanz in den Körper ge-
langt und hier ein relativ langes Incubationsstadium durchmacht, während
dessen eine Reihe einzelner Organe ergriffen werden. Der geringe Werth
der anatomischen Veränderungen deutet schon darauf hin, dass, wie schon
Demoecrit von Abdera schloss, es hauptsächlich das Nervensystem ist,
das ergriffen wird, obwohl auch das Blut und die Deglulilionsorgane, we-
niger die Respiralionsorgane bemerkenswerlhe Veränderungen erkennen
lassen. Innerhalb des Nervensystems selbst scheint der Haupisitz das ver-
längerte Mark zu sein, obgleich auch das Gehirn, das Rückenmark, ja
grosse Bezirke des Sympathieus die erheblichsten Störungen erleiden. Die
Form der Störung ist entweder die Reizung, oder die Lähmung, wie wir
Ja auch z. B. den Koller des Pferdes in diesen beiden Formen (als rasen-
den und stillen) auftreten sehen. Der Verlauf der Störung geschieht in
unregelmässigen, bald spontanen, bald durch äussere Reize hervorgerufe-
nen Paroxysmen mit verschieden starken Remissionen. Die Störung selbst
scheint am meisten auf eine durch das Ferment bewirkte Nar-
kose und Hyperästhesie des verlängerten Markes und der
benachbarten Nervencentren hinzudeuten, welche sich durch moto-
tische, ästhetische und psycholische Zeichen äussert. Ueberall muss es daher
der überwiegend nervöse Charakter der Störungen Sein, welcher die Dia-
snose sichert, und nur bei der stillen Wuth kann die Ausdehnung, in der
die Deglutilions- und Digestionsorgane leiden, sowie die frühzeitige’ Pa-
ralyse des Unterkiefers noch andere Rücksichten bedingen.
*) Dass das Schwefeleyankaliufh nicht die schädliche Substanz ist, hat Wright ge-
zeigt, indem er 6 Gran davon, in 6 Drachmen Wasser gelöst, in die Carolis eines
Hundes sprilzte, ohne irgend eine Wirkung zu erzeugen.
**) Vgl. Lenhossek S.263. Jedoch könnte hier auch eine seeundäre Genesung
geschehen sein ($. 15. Anm.).
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