Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
368 Virchow, Zoonosen. 
Bisse erscheinen, bis Erbsengross sein, schmutzig fleischähnlich aussehen 
und an der unteren Seite der Zunge, nahe an dem Bändchen, vorzüglich 
zur Seite der Blutadern sitzen. In seiner neueren Mittheilung (1843) be- 
schreibt Marochetti diese Bläschen als eine Art Pusteln, welches die 
durch Anhäufung des sehr herben und zusammenziehenden Wuthgiftes 
verstopften Oefinungen der Ausführungsgänge der Zungendrüsen seien und 
nicht bloss zu beiden Seiten des Zungenbändcehens, sondern auch „an 
dem anderen Ende der Zungendrüsen und im hinteren unteren Mund- 
winkel, sowie an der Oeffnung der Stenonischen Gänge‘ angetroffen wür- 
den. So unklar diese Angabe ist, so ist es doch die Beschreibung der 
Bläschen noch mehr und man wird vielfach zweifelhaft, ob die Bezeich- 
nung von Bläschen irgendwie zutrifft, ob es nicht vielmehr solide An- 
schwellungen seien. Bald sollten es nämlich rundliche oder konische, flei- 
schige oder halb durchsichtige Bläschen, bald länglich unebene Gebilde, 
bald kleine, mit hellgelber Flüssigkeit gefüllte Frieselbläschen sein. Nach 
Marochetti wäre in ihnen das Wuthgift enthalten, das sich durch eine 
Metastase von der Wunde her auf diese Theile absetze. Gewöhnlich hat 
er die Bläschen am 3., 5., 7., 9. und 21. Tag nach der Verwundung, 
einmal schon nach 10 Stunden gesehen; einige könne man mehrere Stun- 
den lang beobachten, andere dagegen verschwänden sehr bald nach ihrem 
Erscheinen, ohne Spuren zurückzulassen. Wären diese Angaben richtig, 
so würde es sich allerdings erklären, warum andere Beobachter, die sie 
als consiante und während der ganzen Krankheit fortbestehende Gebilde 
betrachleien, sie nicht gefunden haben. Manche Beobachter wollen da- 
gegen solche Bläschen gesehen haben (vgl. Faber S. 39), allein ihre 
Beschreibungen sind ebenfalls nicht wissenschaftlich genug, um die Sache 
zu entscheiden, um so mehr, als Rittmeister in einem Falle, wo die 
Bläschen vorhanden waren und nichts gegen dieselben geschah, keine 
Wasserscheu eintreten sah. - So ist denn, wie es bei ungenauen Beoh- 
achtungen immer geschieht, eine eigentliche Erledigung der Frage nicht 
zu Stande gekommen, und man hat sich vielfach, ohne hinreichenden 
Beweis, von der Angelegenheit abgewendet, die immer noch eine ge- 
nauere Behandlung verdienen dürfte, 
$. 80. Es folgt nun das Stadium prodromorum s. melan- 
cholicum, dessen Dauer sehr verschieden lang ist, manchmal kaum 
bemerkbar und verschwindend kurz, anderemale Tage, ja Wochen lang. 
Im gewöhnlichen Verlaufe, wo dieses Stadium bis zu 1, 2 oder mehreren 
Tagen dauern kann, sind die haupisächlichsten Erscheinungen folgende: 
A. Allgemeine Krankheitszeichen: Auch bei den Men- 
schen zeigt sich sehr oft eine mehr oder weniger grosse Verstiimmung, 
lebhafte Unruhe, Eingenommenheit, Anorexie, zuweilen Uebelkeit oder 
Erbrechen, mehr oder weniger starkerDurst, sehr gewöhnlich Verstopfung, 
nicht selten fieberhafte Bewegungen mit Horripilation, Mattigkeit und Nie- 
dergeschlagenheit, Gliederschmerzen und Hitze. 
B. Specifische Erscheinungen: 
1) Veränderungen an der Narbe sind beim Menschen ungleich häu- 
figer beobachlet, als beim Hunde. Schon Caelius A urelianus, später Sa- 
lius Diversus haben daraufaufmerksam gemacht, dass gerade die gebissene 
Stellegewöhnlich vorallen andern Theilen leide und die besten Beobachter der 
späteren Zeit haben diess bestätigt, obgleich die Constanz der Erschei- 
nung damit nicht behauptet werden kann. War die Wunde noch nicht 
verheilt, was fast nur bei sehr gTossen Verletzungen vorkommt, so ändert 
sich der Charakter derselben: die Granulationen werden schlaff, schwam- 
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