Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

   
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Wuthkrankheit beim Menschen. 371 
den darauf noch zurückkommen. Andererseits steigert sich das Angsige- 
fühl zur Verzweiflung und zu wahrer Wuth, wobei Momente wirklicher 
Geistesabwesenheit, niemals eigentliche Bewusstlosigkeit, vorkommen können. 
Indess hat die vorurtheilsfreiere Beobachtung der neueren Zeit gelehrt, 
dass diese Zufälle bei vernünftiger Behandlung lange nicht die Höhe und 
die Gefahr für die Umgebungen mit sich bringen, welche man früher vor- 
ausseizie und weil man sie vorausseizie, durch eine unvernünflige, ja 
barbarische Behandlung hervorbrachte. Das einzige, in den letzten Jahren 
aus dem Herzen Deutschlands bekannt gewordene Beispiel einer solchen 
Behandlung, die der finstersten Zeiten des Mittelalters würdig war, hat 
die Presse aller Länder verurtheil. Wenn man Kranke, die vor Angst 
und Unruhe auf keiner Stelle längere Zeit zu verweilen vermögen, mit 
Banden und Ketten fesselt, wenn man sie, wie wüthende Bestien, mit 
Stricken und Misigabeln angreift, wenn man sie schliesslich, wie es noch 
in der neueren Zeit in Irland geschehen sein soll, durch Kissen zu er- 
slicken sucht, so ist es allerdings nicht erstaunlich, dass man sie in Zu- 
stände der Wuth hineintreibt, in denen sie sich, gleich tollen Hunden, 
gebärden. Von einer Beisswuth im eigentlichen Sinne des Wortes ist 
daher keine Rede, und obwohl einzelne Fälle bekannt sind, wo die Kran- 
ken sich selbst bissen, in ihr Betizeug mit den Zähnen griffen, so darf 
man doch im Allgemeinen annehmen, dass diess nur im Zustande eines 
relativ berechtigten Zorns oder eines äussersten Schmerzes geschieht 
oder auch, dass der Kranke, voll von dem populären Vorurtheil, dass 
ein Gebissener wieder bissig werde, in der Verwirrung des Anfalls diesem 
Gedanken Ausdruck gibt. Allein viel gewöhnlicher ist es, dass selbst im 
letzteren Falle der Kranke die Umstehenden vor sich warnt, als dass er 
ihnen etwas zu Leide thut. — Weniger unbegründet ist es, dass die 
Kranken in dem Anfalle, wie tolle Hunde, heulen. Man muss nur nicht 
dieses Heulen oder Brüllen als eine Art von Verthierung betrachten, 
sondern darin weit mehr die Erklärung für das eigenthümliche Heulen des 
tollen Hundes ($. 13,2) suchen. Die Kranken geben nach dem Anfalie selber 
an, dass sie unter dem Gefühl der Erstickung und unter dem Eindruck 
der höchsten Angst diese Töne hervorgepresst hätten. Es ist daher gleich- 
falls nur eine psychische Reflexerscheinung, und darum diagnostisch um 
so weniger entscheidend, als sie nicht constant ist. -—- Was endlich die 
bei dem Hunde so hervorstechende Neiguı g zum Herumwandern 
betrifft, so fehlt auch diese beim Menschen nicht völlig. So erwähnt schon 
Hunter zwei Fälle, in denen die Brustbeklemmung der Kranken durch 
Laufen sehr erleichtert wurde; einer der letzteren fand sich erleichtert, 
indem er um Smithfield (fast 7/, Meile) lief, wenige Stunden, bevor er 
starb. 
Diese Paroxysmen dauern Anfangs nur ganz kurze Zeit, später je- 
doch werden sie anhaltender, 10—20 Minuten lang, und es kann sein, 
dass im Anfalle selbst der Tod in apoplektischer Form erfolgt. Ihre Häu- 
figkeit ist hauptsächlich bestimmt durch die Zahl der äusseren Anlässe; 
sie lassen daher im Allgemeinen keinen regelmässigen Typus erkennen. 
Nur Brera beobachtete einen 48stündigen Typus und sah den Kranken 
im 3ten Anfalle sterben; Sauter hält nach seinen Fällen den Tertiantypus 
(bei vollständiger Abhaltung aller äusseren Schädlichkeiten) für constant 
und betrachtet den 3ten Anfall stets als den prognostlisch entscheidenden. 
Sicherer ist es jedenfalls, dass, wie Trolliet beschrieben hat, die Wuth- 
symplome gewöhnlich während des zweilen Tages nach dem Ausbruche 
der Krankheit plötzlich einen grossen Nachlass zeigen. 
Im Allgemeinen sind die Remissionen der Krankheit nur im An- 
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