409 Virchow, Zoonosen,
glichen hat. Die Leichen zeigen eine grosse Neigung zur Fäulniss und
das Blut ist daher häufig aufgelöst, die Gefässhäute und die tieferen Theile
mit starker Imbibilionsröthe versehen. Stärkere Injeclionen und Ekcehy-
mosen hat man besonders an den Digestionsorganen, doch zuweilen auch
an vielen anderen Theilen gefunden. Sonderbarerweise ist eine erhebliche
Veränderung der Milz nur selten constatirt; man traf sie dann vergössert
oder erweicht. Dagegen werden die Lymphdrüsen häufig sehr be-
trächtlich verändert angegeben, und zwar sowohl äussere, namentlich in
der Nähe von Carbunkeln, als auch innere, insbesondere die mesenterialen.
Sie waren dann geschwollen, schwarzroth, brüchig oder erweicht, wie mit
Extravasat erfülll. Auch die Leber wurde nicht oft als krank beschrieben,
dagegen zeigten die Lungen sehr gewöhnlich die stärkste Hyperämie,
Ekchymosen oder selbst entzündliche Infiltrationen.
Die serösen oder gallertartigen Ergüsse des Thieranthrax werden bei
Menschen weniger constant angeiroffen, da sich viel leichter hämorrhagi-
sche Massen beimischen. Indess sind sie doch auch in reiner Form wie-
derholt in der Bauchhöhle und im Zwischenbindegewebe der Muskeln, der
Unterhaut u. s. w. beobachtet. Die eigentlichen Carbunkeln finden sich
meist constituirt durch ziemlich derbe Infiltrationen, die wegen der Mannich-
faltigkeit der Ergüsse ein marmorirtes Aussehen oder bei grosser Neigung
zur Hämorrhagie eine gleichmässig schwarzrolhe Färbung zeigen. Sie
kommen zuweilen auch im Netz, im Gekröse, in den Häuten des Magens
und Darms vor (Rayer, Barez, Sanson).
$. 68. Bevor wir unseren Gegenstand weiter verfolgen, müssen wir
hier noch die Frage erörtern, ob es nicht einen spontanen, primären
oder ursprünglichen Milzbrand des Menschen gibt? Aller-
dings existirt eine nicht geringe Zahl von Schriftstellern, welche sich für
die Bejahung dieser Frage aussprechen und sich theils auf theoretische,
theils auf empirische Gründe stützen. Von den letzteren ist leider kein
einziger ganz stichhaltig, und wenn Heusinger ($. 571), nachdem er
seine eigenen, sowie die Beobachtungen von Rehm, Falck und Re-
naudin über das Vorkommen von Milzbrand nach der Berührung man-
cher fauliger Wässer recensirt hat, schliesslich den Einwand nicht zu be-
seiligen weiss, dass milzbrandige Thiere oder Theile von ihnen in jene
Wässer gerathen sein könnnen, so glaube ich noch den weiteren Einwand
hinzufügen zu müssen, dass durch keinen Versuch die Contagiosität dieser
Formen und ihre wirkliche Identität mit dem Milzbrande der Thiere her-
gestellt ist. Ich habe im Laufe einer längeren Reihe von Jahren im-
mer von Zeit zu Zeit Gelegenheit gehabt, Fälle und zwar meist tödtliche
Fälle zu sehen, welche gewiss zum Milzbrande gerechnet worden wären,
wenn sie in Milzbranddistrikten vorgekommen wären. Die meisten hatten
sogar das Eigenthümliche, dass die Carbunkel sich zuerst am Kopfe, be-
sonders in der Nähe des Ohres oder an der Schläfe entwickelten, dass
sie mit dem juckenden Mutterknolen auftraten, sich bald ausbreiteien und
bei dem einen mehr die Form der Pustula prominens, bei dem andern
mehr die der P. depressa, der Variolen oder des Vespajus annahmen.
Fast jedesmal war der Verlauf höchst insidiös, das Uebel anfangs schein-
bar unbedeutend und local, bis ganz plötzlich die gefährlichsten Zei-
chen seiner Ausbreitung in die Tiefe und der Betheiligung des Gesammt-
organismus eintraten. Auch hier war da& eigentliche Fieber manchmal
gering, die Eingenommenheit des Kopfes eine fast narkotische, und die
äusserste Schwäche zeigte den kommenden Tod an. Bei der Autopsie
fanden sich die grössten Zerstörungen, die von der Haut bis tief in die