406 Virchow, Zoonosen.
Krankheiten, über deren Beta Beziehungen und deren Wesen eine
vollständige Einigung noch nicht gefunden ist. Während bei dem Rotze
(bei den sriechischen Autoren ale ualıs, bei Vegetius als Malleus hu-
midus, auch wohl Morbus humidus und davon f ranzösisch als Morve be-
zeichnet) hauptsächlich die Nasenschleimhaut und die benachbarten Lymph-
drüsen (daher englisch Glanders) bestimmte anatomische Veränderungen
erkennen lassen, so zeigen sich bei dem Wurm (Hautwurm, Farciminum,
Malleus fareiminosus, französisch Farein) mehr äussere Lymphdrüsenge-
schwülste und knotige, wurmförmig zusammenhängende Ablagerungen un-
ter der Haut (Wurmstränge). Die Frage über die Natur der Krankheit hat
sich daher theils um die locale oder allgemeine Begründung, theils um
die Beschaffenheit der localen Veränderungen gedreht.
$. 73. Schon Waldinger hatte die locale Entstehung der Krank-
heit aus einer unter almosphärischen Einflüssen sich entwickelnden Säuer-
ung oder Oxydation der Säfte, zumal in den Lymphgefässen der Nase
erklärt, während Viborg und Veith vielmehr eine oft spontane, pri-
märe Entwicklung der „Rotzschärfe* im Blute annahmen, weil das
Allgemeinleiden dem localen vorausgehen könne. Viborg stützte diese
Ansicht durch den experimentellen Nachweis, dass durch Einspritzung von
Rotzmaterie in die Venen eines gesunden Pferdes der Rotz mit allen sei-
nen örtlichen Zufällen erfolgt. Diese Gegensätze in der allgemeinen Auf-
fassung sind am schärfsten in Frankreich hervorgetreten, wo die allge-
meine Entwicklung der medieinischen Doctrinen auch gewöhnlich die Auf-
fassung des Rotzes entschied *. Bis zur Gründung der Veterinärschulen
haite man den Grund des Uebels hauptsächlich in einer fehlerhaften Mi-
schung der Säfte gesucht, wie namentlich Bourgelat es ausführte, und
nur Lafosse definirte das Uebel als eine locale Affeelion der Schleimhaut
der Nase und der Stirnhöhlen. Ueber das Wesen der Krankheit stellte
namentlich Dupuy die, in der neueren Zeit von der Wiener Schule (En-
gel, Dittrich) wieder aufgenommene Ansicht auf, dass eine tuberculöse
Affection, die auch sonst in den Thıerkrankheiten eine grosse Rolle spiele,
das Wesentliche sei. Mit der’Ausbildung der sogenannten physiologischen
Schule durch Broussais lrat die Auffassung des Rolzes als örtlicher
Krankheit ganz präeis auf (Vatel), um jedoch bald der humoral-palho-
logischen Theorie Platz zu machen. Nachdem Dance und Cruveilhier
die Aufmerksamkeit auf die sogenannte Entzündung der Venen und Lymph-
gefässe gelenkt hatten, legte man auch besonderes Gewicht auf die Er-
krankung der Venenplexus und Lymphgefässe in der Nase, und gewöhnte
sich, den Rotz in einer Reihe mit den pernieiösen Fiebern der Operirten
und ‘Wöchnerinnen als Folge einer Eiterresorption zu betrachten. Tessier,
indem er die unhaltibare Lehre von der Eiterresorplion durch die Doctrin
der purulenten Diathese ersetzte, erklärte auch den Roiz für eine der
vielen Formen, in denen eine primär im Blute selbst gegebene Neigung
zur Eiterung vorhanden sei, und die Schule von Alfort, namentlich Re-
nault und "Bouley haben die Auffassung des Rotzes als einer Art von
Pyämie mehr und mehr zur Anerkennung gebracht.
8. 74. Diese Streitfr: agen sind um so schwieriger zum Austrag zu
bringen, als seit alter Zeit über die Ausdehnung des Begriffes des Roizes
*) Vgl. Tessier im Recueil de med. veter. prat. 1839. p. 65. H. Bouley, Eben-
daselbst 1843, p, 81.