Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
AA Virehow, Zoonosen. 
England die Aufmerksamkeit auf diese Uebertragungen gelenkt, und nament- 
lich Travers und Elliotson brachten sehr bald werthvolle Arbeiten dar- 
über. Durch die umfassende Zusammenstellung von Rayer (1837) trat der 
rotz endlich mit Bestimmtheit in die menschliche Pathologie ein. Niemand 
hat daran gedacht, aus dieser Neuheit unserer Kenntnisse über den Roiz 
des Menschen Schlussfolgerungen über das Alter der Krankheit überhaupt 
zu ziehen, aber es ist gewiss sehr nützlich, dieses Beispiel im Auge zu be- 
halten, wo man aus ähnlichen Thatsachen Beweise für das Alter dieser oder 
jener Krankheit herleiten will. 
$. 87. Der Mensch scheint im Ganzen der Rotzansteckung mehr ex- 
ponirt zu sein, als irgend ein Säugethier mit Ausnahme der Einhufer. Die 
Uebertragung der Krankheit durch Rotzstoff geschieht am leichtesten in 
Wuuden, aber wie es scheint, auch durch einfachen Contact der Haut. 
Wenigstens sind Fälle bekannt, wo nur durch das Anschnauben von Na- 
senausfluss, durch Abwischen desGesichts mit verunreinigten Händen oder 
Tüchern die Krankheit, und zwar zunächst am Gesicht local überlra- 
gen wurde, ohne dass es nachgewiesen werden konnte, dass hier eine 
Excoriation oder Verwundung bestanden habe. Doch war dies vielleicht 
möglich. Allein es gibt auch Fälle, wo überhaupt eine directe Uebertra- 
gung nicht gezeigt werden konnte, und wo daher die Möglichkeit nicht ab- 
geleugnet werden kann, dass eine Ansteckung durch flüchtiges Contagium ge- 
schehen ist. Es ergibt sich schon daraus, dass am meisten exponirt sind 
alle diejenigen, welche mit Pferden überhaupt und speciell mit kranken 
Pferden umzugehen haben, also Pferdeknechte, Pferdehändler, Abdecker, 
Wärter, Thierärzte undEleven, so dass begreifllicherweise Männer ungleich 
überwiegend befallen werden. 
Ausserdem besteht hier noch die besondere Gefahr einer Ansteckung 
vom Menschen her. Denn es ist nicht. bloss durch zahlreiche Experimente 
dargelhan, dass der Rotz von Menschen auf Pferde, Esel und andere 
Thiere zurückgeimpft werden kann, sondern auch durch eine Reihe trau- 
riger Beispiele, namentlich aus den Pariser Spitälern erhellt, dass er sich 
vom Menschen zum Menschen fortpflanzt. Insbesondere sind junge 
Medieiner als Opfer ihres Eifers gefallen, nicht bloss im Krankendienst, 
zum Theil unter Verhältnissen, wo eine Ansteckung durch flüchliges Con- 
tagium wahrscheinlich war, sondern auch durch Infection an der Leiche. 
$. 88. Die Krankheit äussert sich beim Menschen in denselben For- 
men, wie beim Pferde, als reiner Rotz oder Wurm, jedoch am gewöhn- 
liehsten als Complication von acutem Rotz mit Wurm, oder von chroni- 
schem Wurm mit acutem Rotz. Im Allgemeinen aber muss hervorgeho- 
ben werden, dass beim Menschen weit gewöhnlicher und in viel grösserer 
Audehnung als bei Thieren Hauteruptionen vorkommen, welche vollkom- 
men den 'exanthematischen Charakter tragen und für die Erkenntniss der 
Krankheit äusserst wesentlich sind. Sowohl diese Hauteruptionen, als die 
inneren Ablagerungen gleichen beim Menschen gewöhnlich viel mehr Ei- 
terheerden, als Tuberkeln, und sind daher viel gewöhnlicher als Pusteln 
und Abscesse beschrieben und den metastatischen Heerden der purulenten 
Diathese gleichgestellt worden. Dadurch wird die Erkenntniss der Krank- 
heit zuweilen äusserst schwierig, ja bei mangelhafter Anamnese ist sie 
von manchen Formen der Eitersucht, z. B. der puerperalen kaum zu un- 
terscheiden *), es sei denn durch den Versuch einer Rückimpfung. Je 
  
*) Vgl. den interessanten Fall von Malgaigne (Gaz. des höp. 1845. Aout. Nr. 95). 
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