Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

Sit 
Contagium oder Virus der Syphilis. 431 
Seite waren. Dass Syphilis ohne Quecksilber geheilt werden kann, was 
bewesi das gegen die speeifische Natur der Krankheit? Giebt es nicht 
auch andere speeifische, durch eigenthümliches Krankheitsgift erzeugte 
Krankheitsprocesse, welche ohne specifische Heilmittel in und durch sich 
selbst zu Grunde gehen? Wir erinnern nur an die acuten Exaniheme, 
an Typhus. Wäre nicht dasselbe bei der Syphilis möglich? Wer möchte 
behaupten, dass Syphilis im Individuum niemals absierbe, wenn sie 
nicht durch Quecksilber abgetödtet wird? 
$. 19. Ein Hauptargument, dessen man sich bediente, das specifi- 
sche Virus hinwegzuleugnen, entlehnte man aus der nicht seltenen Beob- 
achlung, dass der Beischlaf mit einer gesunden, aber menstruirten oder 
an elwas scharfem, weissem Flusse leidenden Frau, Biennorrhoe oder 
Genitalgeschwüre beim männlichen Geschlecht zu erzeugen im Stande ist, 
ohne dass deswegen Syphilis dabei im Spiele zu sein braucht. Hieraus 
folgerte man, dass zur Genesis der sog. syphilitischen Zufälle blos eine 
gewisse Schärfe des Secrets entzündeter Flächen, keineswegs aber die 
Wirkung eines eigenthümlichen Giftes erforderlich sei. Man übersah da- 
bei, dass solche pseudosyphilitische oder einfache lokale Leiden der Ge- 
schlechtstheile, wie sie durch den Reiz eines scharfen, nicht syphiliti- 
schen Seereis erzeugt werden können, durchaus verschieden von echten 
und wahren syphilitischen Affeetionen sind, dass sie in der Regel rascher 
verlaufen, leichter heilen und niemals seeundäre Symptome nach sich 
ziehen, niemals die Ansteckung in das 2., 3. Glied und weiter fortpflan- 
zen, niemals die Vergiftung auf den Fötus in Utero übertragen, wie das 
in Folge des wahren syphilitischen Geschwürs geschieht. Darf man aber 
aus oberflächlicher, äusserlicher Aehnlichkeit zweier Affeetionen sogleich 
auf gleichen Ursprung schliessen? Am empfindlichsten mussten den Un- 
glauben an die Existenz eines syphilitischen Virus drei Pariser Studenten 
büssen, welche durch Inoculation an sich selbst das Experimentum cerueis 
anzustellen wagten. Sie impften sich syphilit. Eiter in die Armbeuge ein. 
Der Eine bekam einen Bubo axillaris, der in Eiterung überging; der 
Zweite einen charakteristischen Schanker, der Dritte ebenfalls. Die Hei- 
lung machte viel zu schaffen und erforderte eine Quecksilberkur. Der 
eine Student soll sich aus Verzweiflung die Art. erur. geöffnet haben. 
$. 20. Es konnte nicht fehlen, dass die Ableugnung einer so evi- 
denten Thatsache, als die Existenz des syphilitischen Virus, eine starke 
Reaction hervorrief. Diese führte zur Erneuerung der schon von Ben). 
Bell, Hunter, Harrison, Tode und Hernandez angestellten künst- 
lichen Impfungsversuche, die in der That als der stringenteste Beweis für 
das Dasein eines syphilitischen Giftes gelten können, wenn sie auch für 
jeden ruhig beobachtenden Arzt höchst überflüssig waren und nur bestä- 
tigen konnten, wie Vidal sagt, dass zweimal zwei vier macht. Rieord 
ist es, der die Inokulationsversuche neuerdings im ausgedehntesten Um- 
fange, sowohl mit Schanker- als mit Trippergift angestellt hat. Nach ihm 
haben Wallace, Marion, Baumes, Evans, Mayo, Danizau, Ca- 
stelnau, Sigmund Waller und Andere dieselben wiederholt und da- 
durch allerdings Manches zur genaueren Kenntniss der Wirkungsweise des 
syphililischen Giftes beigetragen, obgleich sie keineswegs alle Streilfragen 
erledigt und namentlich den Unterschied zwischen Schanker- und Tripper- 
gift nicht klar erwiesen haben. Ehe wir daher über die durch die Impfung 
erlangten Resultate näher berichten, glauben wir folgende Bemerkungen 
als Grundlage einer richtigen Beurtheilung vorausschicken zu müssen. 
  
  
 
	        
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