Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
436 Simon, Syphilis. 
erkennen die Identität des Schankergiftes, müssen aber doch bemerken, 
dass die Wirkungen desselben verschieden sein können, je nachdem die 
Ansteckung von primären oder secundären Symptomen ausgeht, je nach- 
dem das ansteckende Individuum an frischen oder verjährten Symptomen 
leidet, und ob diese durch irgendwelche Behandlung gedämpft, modifieirt 
oder mitigirt worden sind. In sofern gibt es gewiss einen Unterschied in 
der Qualität des syphilitischen Giftes, ohne dass dadurch seiner ursprüng- 
lichen Identität Eintrag geschieht. 
8) Der syphilitische Eiter, auch wenn er längere Zeit in Glasröhr- 
chen und selbst unter Zutritt der Luft aufbewahrt wird, verliert seine 
Inoculationsfähigkeit nicht so leicht. Ricord inoculirte mit solchem Eiter 
noch nach 73 Tagen mit Erfolg. Chemische Agentien, wie. etwas concen- 
trirte Säuren und Alkalien zerstören zwar die Wirksamkeit des syphiliti- 
schen Eiters, aber ist er einmal eingeimpft, so vermögen sie dessen Wirk- 
samkeit nicht mehr zu hemmen. 
9) Bis auf die neueste Zeit hielt man dafür, dass die Receptivität für 
das syphilitische Virus auf den menschlichen Organismus beschränkt sei. 
Man schloss diess aus den bis dahin misslungenen Inoculationsversuchen 
an Thieren (Hunter, Turnbull, Cullerier, Leblanc, Castelnau); 
aber die neuerlichst von Robert v. Welz und Auzias Turenne mit 
Beharrlichkeit an Affen, Katzen, Kaninchen erneuerten Inoeulationsver- 
suche lassen keinen Zweifel, dass das Schankergift auch auf Thiere über- 
tragbar ist und bei ihnen impfbare Schanker zu erzeugen vermag. Ja, 
Auzias Turenne will auch bei Affen und Katzen daraus secundäre 
Symptome habe entstehen sehen: Hals- und Lippengeschwüre, syphiliti- 
sche Ophthalmien u. s. w. Er spricht sogar von jungen Katzen, die an 
secundärer Syphilis gestorben seien *). 
10) Es lag nahe, von den erneuerten Inoculationsversuchen die Lö- 
sung der Frage zu erwarten, ob Tripper und Schanker die Produkte eines 
und desselben Giftes seien? Die Controverse über Identität des Trip- 
per - und Schankervirus ist bekanntlich alt und wurde schon in den 
siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts heftig ventilirt. Balfour (1767) 
war der Ersie, welcher die Behauptung aufstelle, es gebe über- 
haupt keinen syphilitischen Tripper; Tripper und Lustseuche 
seien ganz verschiedene Krankheiten. Ihm folgten Ellis, Tode, Duncan, 
Benjamin Bell mit derselben. Behauptung. Hunter, Harrison, 
Jesse Foot, Andre&e, Monteggia, Cullerier, Schmidt, Swe- 
diaur, Girtanner und die Mehrzahl der späteren Aerzte verharrten 
bei der Identität des Tripper- und Schankergiftes. Hunter und Harri- 
son stellten Inoculationsversuche an, aus welchen hervorgehen sollte, dass 
der Tripperstoff, in die Haut geimpft, Schanker und Schankereiter in die 
Harnröhre gebracht, Tripper erzeuge. Benj. Bell wendete dagegen ein, 
die Versuche seien nicht zahlreich und umsichtig genug angestellt, um 
über die Identität des Trippers und Schankers zu entscheiden, und einige 
Versuche, welche zwei junge Aerzte an sich selbst vorgenommen, hätten 
ein ganz anderes Resultat ergeben. Der in die Harnröhre gebrachte Schan- 
kereiter habe zwar einen gewissen Reiz und Schmerz erzeugt, aber kei- 
nen Tripper zur Folge gehabt, und der in aufgeritzte Stellen der Eichel 
und Vorhaut eingeriebene Tripperschleim habe zwar kleine Geschwüre 
bewirkt, aber ohne dass sie das Ansehen von Schankern angenommen 
und Quecksilber zur Heilung nöthig gehabt hätten. 
  
") S. Gazette medicale de Toulouse Fevrier 1852. Pag 33 und flgde,
	        
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