Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
Dan 
49 Simon, Syphilis. 
türliche Ansteckungsprocess nur bei verleizter Haut stattfindet; aber die 
Erfahrung lehrt, dass das nicht immer und absolut der Fall ist, sondern 
dass das Gift auch bei unverletztem Epithelium, ohne Riss und Wunde, 
resorbirt werden kann. 
$S. 28. Die Prädisposilion zur Ansteckung scheint nicht von Schwä- 
che oder Stärke der Constitution abzuhangen. Schwächliche Individuen 
bleiben oft verschont, wo robuste heftig und nachhaltig angesteckt werden. 
Die Syphilis gleicht hierin durchaus anderen conlagiösen Krankheiten, von 
denen Schwächlinge oft nur leicht oder gar nicht befallen werden, wäh- 
rend robuste Individuen ihnen erliegen. Die grössere oder geringere Re- 
ceptivitäi beruht daher auf einer gewissen Stimmung der Solida und Fluida, 
die wir nicht kennen. Ohne Zweifel aber begünstigt z. B. eine stärkere 
Aufregung beim Beischlaf den Ansteckungsprocess. Darum wird der feu- 
rige Liebhaber eben oft angesteckt, wo der kältere Ehemann frei ausgeht. 
Unreinlichkeit, wüste Lebensweise und besonders Trunksucht begünstigen 
gleichfalls die Ansteckung und die schlimmsten Formen der Krankheit. In 
warmen Himmelsstrichen verläuft die Syphilis freilich im Ganzen milder, 
besonders unter den Eingebornen; aber man braucht nur in Pruner’s 
„Krankheiten des Orients“ die Beschreibung der Syphilis in Egypten und 
in den Negerländern nachzulesen, um zu erfahren, dass sie in warmen 
Ländern fast eben so und manchmal noch schlimmer verläuft, als in kal- 
ten. — Wenn an den Seeküsten und namentlich in den Küsten- und 
Hafenstädien die Seuche häufig in ihrer schlimmsten Gestalt und in den 
entarleisten Formen vorkommt; so rührt das nicht sowohl vom ungünsti- 
gen Einfluss der Seeluft her, als von der Vervielfäliigung der Infection 
durch den Schiffsverkehr und von der Lebensweise der Küstenbewohner. 
Seeluft und Seebäder dämpfen oft die eingewurzelte syphilitische Dyskra- 
sie, wenn sie dieselbe auch nicht gründlich zu heilen vermögen. 
$. 29. Einmal staligefundene Ansteckung scheint die Receptivität 
für das syphilitische Contagium, wenn auch nicht ganz zu tilgen, doch 
wesentlich zu mildern. ‘Wenigstens sind die Fälle von zweimaliger con- 
stitulioneller Syphilis vielleicht eben so selten, als Fälle von zweimaligen 
Pocken, Masern und Scharlach. Ricord hat daher neuerdings behauptet, 
dass der indurirte Schanker, als die Haupiquelle der allgemeinen Infeetion, 
auch nur einmal bei demselben Individuum vorkomme. Da aber consli- 
tutionelle Syphilis auf alle Schankerformen folgen kann, und die speeifische 
Induralion von der nicht speeifischen schwer zu unterscheiden ist, übri- 
gens indurirte Genilalgeschwüre von jeher auch ohne darauf folgende all- 
gemeine Infection vorgekommen sind, so hat R.’s Behauptung einen sehr 
problematischen Werth. 
$. 30. Die Aufnahmestellen (Atria) für das Trippergift sind: die 
Schleimhäute der Harnröhre, des Mastdarms, der Augenlider, der Nase, 
des innern Ohrs. Die Aufnahmestellen des Schankergifies sind sowohl 
Schleimhäute, als Hautstellen, die entweder mit sehr zarter Epidermis be- 
deckt oder von der Epidermis entblösst sind. Daher die Schleimhaut der 
Genitalien, Augen, Nase, des Mundes, Halses, der Zunge, des Afters; die 
Haut der Eichel, Vorhaut, des ganzen Gliedes, des Hodensackes, der Lippen, 
der Brustwarzen; verwundele Stellen, sowohl frische als suppurirende. 
8. 31. Das syphilitische Contagium kann mitgetheilt werden: 1) di- 
3 v . DPA 
rect durch den Coitus, Päderastie und andere libidinöse Akte, durch
	        
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