450 Simon, Syphilis. ;
sche Bevölkerung übertragen wird, sie in ihren schlimmsten und zersörend-
sten Formen losbricht und erst nach Jahren eine mildere Gestalt annimmt.
$. 44. Was die Meinung (Carmichael, Wallace, Judd) anbe-
trifft, dass auf gewisse primäre Geschwürsformen, gewisse Formen der
const. Seuche folgen, so ist sie sehr hypolhelisch und eine unbefangene
Erfahrung lässt sich schwer damit in Uebereinstiimmung bringen. Wollte
man Carmichael Glauben beimessen, so wären die wenigsten Ge-
schwüre echt syphililisch, denn ihm zufolge giebt es fünf Geschwürs-
formen, die pseudosyphilitisch sind, und nur der speckige, callöse Schan-
ker — der sog. Hunter’sche — wäre der echt syphilitische. Pseu-
dosyphilitisch wären: 1) ein oberflächliches Geschwür ohne Verhär-
tung aber mit aufgeworfenen Rändern; 2) ein ähnliches Geschwür ohne
Verhärtung und ohne aufgeworfene Ränder; 3) eine Excorialion an der
Eichel und an der inneren Seite der Vorhaut mit Eiterabsonderung;
4) das phagedänische und 5) das brandige Geschwür. — Und so wenig
alle diese Geschwürsformen echt syphilitisch sein sollen, ebenso wenig
die darauf folgenden Symptome der allgemeinen Infeelion, die hauptsäch-
lich in Hautausschlägen, Hals- und Haulgeschwüren, Gliederreissen und
Knochenschmerzen besiehen und grösstentheils mit Sarsapärille und An-
timonium, bisweilen mit Calomel geheilt werden. Die secundären Symp-
tome, die auf das phaged. und brandige Geschwür folgen, sollen sich
durch eine besondere Bösartligkeit auszeichnen und bestehen in einem pusiu-
lösen Exanthem, das nicht abschuppt, sondern sich gern in ein krustö-
ses Geschwür verwandelt, in weit um sich greifenden Halsgeschwüren,
Zerstörung der Tonsillen und der Uvula, Exfoliation und Caries der Na-
senknochen, hartnäckigen Gelenkschmerzen, besonders am Knie- und
Handgelenk, und Exostosen. — Aus diesem Symptomencomplex geht
wohl zur Genüge hervor, was wir von Carmichael’s pseudosyphilit.
Geschwüren und deren ebenfalls pseudosyphilitischen Folgeübeln zu hal-
ten haben. Wir wüssien wenigstens nicht, was noch für echtsyphili-
tisch gelten soll, wenn papulöse und puslulöse Ausschläge, Hals- und
Hautgeschwüre, Knochenschmerzen und Caries nicht dafür gelten sollen.
Judd, der in Carmichael’s Fussstapfen getreten ist, hat noch mehr
Geschwürsformen aufgestellt und noch mehr Variationen der darauf fol-
genden allgemeinen Infeelionssympiome. Wallace unterscheidet eine
exanthematlische- und eine pustulöse Form der Syphilis, gibt aber zu,
dass beide Formen von einem und demselben Virus stammen, und nur
von einer besonderen Modifikation des letzteren herrühren. Dies liegt der
Wahrheit am nächsten, während die Annahme verschiedener Contagien,
als Grund und Ursache verschiedener Formen von Syphilis, hypothelisch
und phantastisch bleibt*). Das syphililische Gift wird unter so verschiede-
*) Trotzdem will sich die Annahme eines doppelten Schankerconlagiums aufs Neue
geltend machen. Ricord sagt nämlich in seinen Briefen über Syphilis (im 19):
„Der indurirte Schanker hat für die Syphilis die Bedeutung, welche die echte Pok-
„kenpustel für die Variola und die echte Vaceinepustel für die Vaceine hat. Der
„nicht indurirle Schanker ist das, was die Pseudopustel ist, er ist eine falsche
Vaceine.‘ — Bassereau, der begeisterte Schüler und Anhänger Ricord’s ist
aber damit noch nicht zufrieden und führt diese Ansicht viel weiter und entschie-
dener aus. Durch langjährige Untersuchungen ist er zu dem Resultat gekommen,
dass es in der That zw ei völlig verschiedene Arten von Schanker gebe: den in-
durirten Schanker, dem unausbleiblich die constitulionelle Lustseuche folgt, und
den er deswegen Precurseur de la verole nennt. Den anderen nennt er
Chanere ä bubon suppure6; auf diesen soll keine constitutionelle Syphilis
folgen und sein ganzer Symptomencomplex sich aufBildung eines contagiösen Ge-