462 Simon, Syphilis.
gen Jahren der Morb. gall. so rebellisch geworden sei, dass „Doctissimi
viri‘“ zür Einreibungskur hätlen greifen müssen.
$ 65. So kam es denn, dass nach der zweiten Hälfte. des 16. Jahr-
hunderts der Gebrauch des Quecksilbers gegen die Syphilis wieder allge-
meiner wurde und die Kur durch Diaeta und Potio, so wie die mit
Schwitzen und Hungern verbundenen Holztränke wieder in den Rang zwei-
ter Mittel oder zu Zeiten nützlicher Surrogale zurücktralen, und so ist es
bis auf die neueste Zeit, bis zum Jahre 1817 geblieben, obgleich in dem
langen Zeitraum eine Unzahl von antisyphiliischen Mitteln aus allen Na-
turreichen auftauchten und dem Quecksilber, dem es wegen seiner unbe-
quemen Nebenwirkungen und der nicht immer glücklichen Heilerfolge nie
an Gegnern gefehlt hat, den Rang abzulaufen suchten.
$. 66. Fergusson, erster Feldarzt der englischen Armee in Spa-
nien und Portugal, war es, der zuerst (1814) die Heilung der Syphilis ohne
specifische Mittel wieder in Anregung brachte. Er halle während seines
Aufenthalts in Portugal beobachtet, dass daselbst die Syphilis viel milder
verlief und ohne dass die portugiesischen Soldaten, welche von ihren Aerz-
ten ohne Quecksilber behandelt wurden, leichter und rascher davon ka-
men, als die englischen mit Quecksilber behandelten Soldaten, und dass
nur Wenige von allgemeiner Lues befallen wurden. Er schrieb dies zwar
auf die Erschöpfung des syphilitischen Virus bei den Portugiesen und hielt
es nicht gerathen, die Engländer auf ähnliche Weise zu behandeln, beson-
ders nicht in England und überhaupt in einem kälteren Klima. Indess ga-
ben seine Mittheilungen Anlass zu Heilversuchen ohne Quecksilber und
zu vielen Abhandlungen englischer Aerzie, die sich günstig dafür ausspra-
chen. Einer der Ersten war Rose; ihm folgten Guthrie, Thomson,
Hill, Hennen, Bartlet, Alcock u. A. Man beschränkte zuerst die
nicht mercurielle Behandlung auf die primiiiven Symptome und gewann
später den Muth, auch die secundären Symptome ohne Quecksilber zu
heilen. Man begnügte sich, die Kranken auf eine angemessene Diät zu
setzen, liess Ruhe und horizontale Lage beobachten, verband die Geschwüre
mit einfachen örtlichen Mitteln und gab innerlich wenig oder gar keine
Arzneien. Bei bedeutend entzündlichem Charakter der Symptome verord-
nete man örtliche und allgemeine Blutentziehungen und Abführungsmittel.
Der Erfolg dieser Behandlungsweise war scheinbar ein sehr günstiger, ob-
gleich die Heilung der primitiven Geschwüre sich oft sehr in die Länge
zog. Man wollte weniger allgemeine Infeelion darnach beobachten und
einen milderen Charakter derselben als beim Quecksilbergebrauch.
. 67.- Diese sog. einfache Behandlung — Simple Irealment — der
Engländer fand den ersten Anklang in Frankreich, wo gerade die Anhän-
ger Broussais damit umgingen, die Existenz der specifischen Krank-
heiten und also auch der Syphilis hinwegzuleugnen. Indem sie fast alle
krankhaften Phänomene auf Entzündung reducirten, auf eine „Phlegmasie
queleonque“ musste ihnen eine Reform der anlisyphilitischen Behandlung
sehr gelegen kommen, die so ganz und gar in ihr System einschlug. In diesem
Geiste sind denn auch die Schriften von Richond des Brus, Bobil-
lier, Jourdan, Desruelles und eine Menge Journalaufsätze anderer
französischer Aerzte verfasst. Sie läugnen sämmtlich die Existenz eines
syphilitischen Virus und kennen nichts, als eine Irrilalion venerienne, die
nur auf anliphlogisischem Wege zu behandeln ist. — In Deutschland
fand das Simple treatment etwas später Eingang, indem sich weder die
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