Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Geschichte der Behandlung, 463 
Militärärzte noch die Vorsteher grosser Civilspitäler so schnell entschlies- 
sen konnten, auf eine Behandlung einzugehen, die mit allen bis dahin be- 
standenen pathologischen und therapeutischen Ansichten von der Syphi- 
lis gleichsam Tabula rasa machte. Auch erhoben sich in Deutschland 
gewichtige Stimmen besonders gegen die einfache Behandlung der allge- 
meinen oder secundären Syphilis. Dass bei sehr vielen primären Ge- 
schwüren das Quecksilber entbehrlich sei, halten Louvrier und Rust 
schon früher gelehrt. Erst im Jahre 1826 veröffentlichte daher Hand- 
schuch die Resultate der neuen Behandlungsart, welche Brünning- 
hausen im Würzburger Mililärspital versucht halte. Fricke folgte damit 
(1828) im Hamburger Krankenhause, und der Erfolg sprach sich anschei- 
nend sa günstig für die neue Heilmethode aus, dass sie seitdem sehr all- 
gemein in Deutschland wurde und selbst in Schweden, Dänemark und 
Russland Eingang fand*). 
$. 68. Die fasi gänzliche Verdrängung des Quecksilbers aus der 
anlisyphilitischen Praxis dauerte ungefähr bis "zur Mitte der dreissiger Jahre. 
Da erhoben sich zuerst aus ; England Simmen gegen die allgemeine Heil- 
samkeit des sogenannten Simple treatment, und selbst diejenigen Aerzte, 
welche ihm früher so ungemessen das W ort geredel, fielen wieder davon 
ab. Dies ist ganz begreiflie 'h und kann Diejenigen, welche mit der Ge- 
schichte der Syphilis und ihrer Behandlung überhaupt etwas verlraul sind, 
nicht Wunder nehmen. Wir haben gesehen, dass schon im 16. Jahrhun- 
dert die nicht mercurielle Heilmethode mittels Holztränke, Schweiss- und 
Entziehungskur 40 Jahre lang prädominirte und man sich am Ende doch 
genölhigt sah, zum Quecksilber zurückzukehren, weil die Reeidive sich zu 
sehr häuften und die Kranken durch die Quadragesima poenitentialis öfter 
ausgemergelt als geheilt wurden. Dasselbe hat sich zu oft als Resultat 
der sog. einfachen Behandlung in unsern Tagen zu erkennen gegeben, als 
dass es der Beobachtung unbefangener Pı 'akliker hälte entgehen können, 
und die immer häufiger we erdende Anpreisung des Zitimann schen De- 
cocts und des neuentdeckten Jod und Jodkali zeigte von der Unentbehrlich- 
keit wirksamer Surrogale des zu leichtsinnig und zu allgemein verworfe- 
nen specifischen Metalls. Esstellte sich mehr und mehr heraus, dass aller- 
dings bei den primären Geschwüren innere und äussere Quecksilbermittel 
oft entbehrlich sind, dass sie der allgemeinen Infection nicht sicher vor- 
beugen, was übrigens die Erfahrung bewährter Praktiker schon früher ge- 
lehrt halte. Eben so liess sich aber auch nicht verkennen, dass die ein- 
fache Behandlung bei der allgemeinen Infecetion nur allzuhäufig zu endlo- 
sen Recidiven führte, welche den Kranken nach Jahr und Tag schleichend 
aufrieben, und dass sie in nicht wenigen ‚Fällen kaum die sichtlichen 
Syınplome der Seuche zu beschwichtigen, geschweige denn zu heilen ver- 
mochle. 
. 69. -Manche Vorwürfe, die man früher dem Quecksilber gemacht 
a dass es die nk. oft verschlimmere, dass es namentlich zu 
Knochenleiden Anlass gebe, sah man sich genöthigt, zurückzunehmen ; 
denn auch bei der einfachen Behandlung nahm die Syphilis öfter eine be- 
denkliche Form an und Desruelles, einer der Hauptverfechter der neuen 
Lehre, musste eingestehen, dass sypbililische Knochenleiden auch ohne 
allen Quecksilbergebrauch vorkommen. Die Antimercurialisten mussien 
  
*) 8. Simon, Versuch einer kr, Gesch. der örtlichen Lustübel u. s. w. Pag. 370-542. 
  
 
	        
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