Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Entziehungs - oder Hungerkur. 493 
methodischen Behandlung der Syphilis verbunden sein muss. Die mit 
dem Gebrauch des Jodkali oft verbundenen Uebelstände werden um So 
gewisser eintreten, je weniger man jene Cautelen beobachtet. 
$. 122. Die Entziehungs- oder Hungerkur. Als mächtiges 
Adjuvans der heilkräftigen Behandlung der Syphilis mit oder ohne Queck- 
silber haben wir ihrer schon wiederholt gedacht, aber sie ist auch für 
sich , ohne bedeutend und speeifisch auf die Seuche einwirkendes Mittel, 
als selbstständige Kur von namhaften Aerzten angewendet worden. Schon 
Brassavolus gibt an, dass die Syphilis ohne alle Mittel, allein durch 
strenge Diät bei anstrengender körperlicher Arbeit geheilt werden könne. 
Aehnliche Beispiele führt Fallopia an, und van Swieten will Leute 
durch die Galeerenstrafe von der Syphilis befreit gesehen haben. Anlei- 
tung zu einer methodischen Hungerkur finden wir aber zuerst beiFriedr. 
Hoffmann, der als Humoralpathologe sie gegen Krankheiten der Säfte 
und also auch gegen die darauf beruhende Syphilis anwendete. Sein Ver- 
fahren war dabei folgendes: er schickte einige Abführungen voran, bei ple- 
thorischen Subjeeten auch wohl einen Aderlass, und dann bekam der 
Kranke 14 Tage bis 2 Monate lang nichts, als täglich '/, Pfd. gebratenes 
Fleisch und beinahe eben so viel Zwieback; zum Getränk ein Decoct. Sar- 
sap., Rad. Chin. nod. und lign. Guajac., wovon er Morgens einige Gläser 
im Bette trank; zur Förderung des Stuhlgangs 20 Rosinen oder getrocknete 
Pflaumen. DieseKurmethode kam, wie so viele andere, in Vergessenheit, 
bis Winslow sie wieder gegen Syphilis in Gebrauch zog. Er gestal- 
tele seinen Kranken aber nur zwei Unzen gekochtes oder gebratenes 
Fleisch und ebensoviel Brod des Mittags; des Abends eine ähnliche Por- 
ion. Zum Getränk am Tage ein gutes Quart Sarsaparilla- oder Chinawur- 
zeldecoct; als Mediecament erhielten die Kranken Morgens und Abends 
6 Gran Extr. Cieut., dessen Wirkung als antisyphilitisch wohl wenig in 
Betracht kommen kann. Der Sehwede Osbeck hat (1811) diese Wins- 
]ow’sche Hungerkur mit einigen Modificationen nachgeahmt; statt der 
Cie. Pillen gab er Pillen von Extr. Chaeroph. sylv. In den letzten drei 
Wochen erhält der Kranke eine Sublimatpille täglich. Sowohl die Wins- 
low’sche als die Osbeck’sche Hungerkur sind auf sechs Wochen be- 
rechnet; Osbeck lässt aber die Kur, wenn die Syphilis dadurch nicht 
geheilt ist, nach drei Wöchen vollständig, aber ohne die kleine Dosis Sub- 
limat, wiederholen. — Später (1822) veröffentlichte L. A. Struve eine 
Schrift über Entziehungs- und Hungerkur, die ganz auf die Winslow’sche 
Methode basirt ist, und die sich sowohl gegen Syphilis als gegen syphi- 
loidische Krankheitsformen, wie die holsteinische Marschkrankheit, als sehr 
heilkräftig bewährt haben soll. — Verwandt mit diesen Hungerkuren ist 
das sogenannte Trailement seche, arabique, was in den Spitälern Südfrank- 
reichs häufig angewendet wird. Diese Behandlung besteht darin, dass der 
Kranke nicht allein wenig Fleisch und Brod bekommt, sondern auch nur 
zwei Gläser Tisane aus Sarsap., Chinawurzel, Lign. Guajac. und Sassafr. 
Dabei nimmt aber der Kranke ausserdem Morgens und Abends 4 bis 6 
Gran von einer Pillenmasse, worin Hydr. erudum und Sublimat enthalten, 
so dass hier die Hungerkur eigentlich nicht als die Hauptsache zu betrach- 
ten sein möchte. Sechs bis acht Wochen sollen bei dieser Behandlung 
hinreichen , auch die inveterirtesten Fälle zu heilen. — Unser, auf Erfah- 
rung gegründetes Urtheil über die Hungerkur ist: dass sie in verschlepp- 
ten und abgearieten Fällen von Syphilis, besonders wo sie mit Quecksilber- 
dyskrasie complieirt ist, oft heilsam sein kann; in gewöhnlichen Fällen fri- 
scher, ungedämpfter Syphilis wirkt sie nur palliativ und trägt oft, durch 
  
 
	        
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