398 Simon, Syphilis.
VI. Der Tripperrheumatismus oder die Trippergicht.
(Rheumatismus gonorrh. Arthritis gonorrh.).
$. 206. Erst in neuerer Zeit ist dieses nicht seltene Neben- und
Folgeübel des Trippers allgemeiner beobachtet und anerkannt worden,
obgleich manche Aerzte es als solches noch immer nicht betrachtet ha-
ben wollen.
SYMPTOME UND VERLAUF.
$. 207. In allen Perioden des Trippers, in der ersten acuten, in der
zweiten chronischen oder auch nach völliger Beseitigung des Trippers kann
dieses fatale Nebenleiden auftreten. Manchmal gestaltet es sich nur als
Muskelrheumatismus, manchmal aber als Gelenkrheumatismus oder auch als
wahre Arthritis gonorrh., bald sehr acut, bald mehre chronisch; bald wer-
den einzelne Muskeln und Gelenke, bald mehre zugleich oder nacheinander
befallen. Bisweilen verlieren sich die rheumatischen Schmerzen und Ge-
lenkleiden in acht bis 14 Tagen, bisweilen gehen 4, 6, 15 und 20 Wochen
darüber hin, und dieKranken erholen sich schwer und langsam, wie nach
einem recht dolosen Gichtanfall. In den leichteren Fällen werden haupt-
sächlieh nur die Knie- und Knöchelgelenke angegriffen, in den ernst-
hafteren aber Schulter-, Hüft-, Ellenbogen- und Handgelenke, und selbst
die Kinnbacken. Gestaltet sich das Leiden mehr als Rheum. acut,, so lie-
gen die Patienien manchmai .mehre Wochen steif und lahm. Der Anfang
und der ganze Verlauf entspricht durchaus dem Rheumatismus und der
Arthritis aus anderen Ursachen und beide können selbst tödtliche Folgen
haben. In Folge der Gelenkentzündung kann Anchylose, Tumor albus,
Lähmung zurückbleiben. In den meisten Fällen folgt glücklicherweise voll-
ständige Genesung, aber der Patient hat sich vor jedem neuen Trip-
per zu hüten, weil ihm dann fast unausbleiblich. dieselbe Tragödie be-
vorsteht.
URSACHEN,
$. 208. Als Hauptursachen hat man angegeben: Erkältung und
vorschnelle Unterdrückung des Trippers durch innere oder äussere Mittel.
Für manche Fälle mag diese Erklärung gelten, aber durchaus nicht für
alle. Wahr ist es, dass der Rheum. oder die Arthr. gonorrh. häufig erst
dann auftritt, wenn man nach Ablauf des entzündlichen Stadiums Copaive-
Balsam anwendet, und daher mag es kommen, dass Eagle und Mad-
doc sie hauptsächlich dem Gebrauch des Balsams zur Last legten. Aber
der erste Fall einer sehr ernsthaften Arthr. gonorrh., der uns vorkam,
trat gleich Anfangs des Trippers auf, wo an Balsam gar nicht ge-
dacht wurde Und Cumano, der 22 Fälle anführt, bemerkt aus-
drücklich, dass in 9 Fällen gar kein Balsam gebraucht worden war.
Nichtsdestoweniger scheint in der That der Copaive-Balsam bei manchen
Individuen den Rheum. gonorrh. hervorzurufen, und wir haben uns
daher bei solchen Patienten, wo wir diese Erfahrung gemacht, gehütet,
den Balsam zeitig zu gebrauchen, und ihn wo möglich ganz zu umgehen
gesucht. Was vom Balsam gilt, gilt auch von der Erkältung und dem
Aufenthalt in feuchter Wohnung; beide Momente mögen wohl unter Um-
ständen dazu beitragen, aber in den meisten Fällen kann man keine an-
dere Ursache anklagen , als eine besondere Prädisposition. Diese besteht
in der rheumatischen und gichtischen}Anlage desKranken; deswegen kom-
men auch die meisten Fälle von Trippergicht bei Männern in den dreissi-
ger und vierziger Jahren vor, seltener im früheren Lebensalter. Prädispo-
u
T
hi