Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
580 Simon, Syphilis. 
später auch Geschwüre im Halse, die das Schlingen bis zum Ersticken 
erschweren. An den Schamtheilen und am After entstehen Pusteln, Rha- 
gaden, Condylome, um sich greifende Geschwüre. 
8. 347. Nehmen die eben geschilderten Symptome überhand, wozu 
sich oft noch symptomatische Blennorrhoe der Augen, Ohren, Nase, bei 
Mädchen auch der Vagina gesellt; so entsteht bald Zehrfieber, bedeutende 
Abmagerung, colliquativer Durchfall; die kleinen Wesen bekommen das 
schon erwähnte greisenarlige Ansehen, und sterben atrophisch unter 
krampfhaften Zuckungen. Dies ist der gewöhnliche Verlauf der Syphilis 
neonatorum, wenn sie sich schon bei der Geburt zeigt oder in den ersten 
Lebensmonaten ungehemmt entwickelt, und selbst die angemessenste Be- 
handlung ist oft dagegen ohnmächtig. 
$. 348. Bisweilen schlummert die syphilitische Dyskrasie länger im 
kindlichen Körper und bricht erst als Syphilis haereditaria in späterer Zeit 
aus; im 7. 10. und selbst im 14. Lebensjahre. In solchen Fällen wird sie 
oft verkannt und für Serophelkrankheit erklärt; dann richtet sie, wenn sie 
auch nicht tödtlich verläuft, bisweilen arge Verwüstungen im Halse, Gau- 
men und in der Nase an. Man hat dieses späte Auftreten der Syphilis 
haered. in Zweifel gezogen, aber wir haben, leider, ganz unzweifelhafte 
Fälle dieser Art beobachtet, die eben, weil sie verkannt wurden, sehr 
traurige Folgen nach sich gezogen hatten. Dagegen halten wir die Fälle, 
wo, nach Rieord, die erbliche Syphilis erst in dem Alter von 40 Jah- 
ren sich kund gegeben haben soll, mindestens für sehr zweifelhaft und 
verdächtig. Sie erinnern etwas stark an die Syphilis der „honestae et 
sanetae moniales* beim Vietorius. 
$. 349. Die Syphilis infantum ist hinsichtlich der Verbreitsamkeit 
durch das Säugen der infieirten Kinder sehr gefährlich. Ganze Familien 
können dadurch angesteckt werden, besonders da, wo, wie in den Hütten 
der Armuth, Unreinlichkeit zu Hause und vielfache Berührung unvermeid- 
lich ist. Colles und Wallace in Irland berichten warnende Beispiele 
davon, und wir haben selbst auf diese Weise durch ein syphilitisches 
Kind vier, fünf und mehr Erwachsene angesteckt gesehen. 
PROGNOSE. 
. 350. Die Syphilis eongenita tödtet viele Kinder, theils schon als 
Fötus im Mutterleibe, theils in den ersten Monaten nach der Geburt. Von 
170 Kindern, welche Doublet (1781) im Hospice zu Vaugirard bei Paris 
behandelte, starben 129. Im Ganzen ist daher die Prognose ungünstig, 
wenn die Kinder mit ausgeprägten Symptomen der syphilitischen Dyskra- 
sie geboren werden. Nach unserer Erfahrung sterben die meisten Kinder, 
die von Eltern abstammen, welche an ungedämpfter Seuche leiden; die- 
jenigen, welche von ihren Eltern ein gedämpftes syphilitisches Gift über- 
kommen haben, bleiben wohl am Leben, aber siech, elend, scerophulös, 
rhachitisch, oft zeitlebens an den Wirkungen des angeerbten syphilitischen 
Gifies auf diese oder jene Weise leidend. Bricht die Syphilis bei den 
Kindern erst nach den ersten Lebensmonaten aus, SO lässt sie sich, zeitig 
erkannt und angemessen behandelt, leichter heilen. Selbst wenn sie in 
späteren Lebensjahren zum Ausbruch kommt, wo sie einen scheinbar scro- 
phulösen Charakter annimmt und häufig als Serophelsucht behandelt wird, 
kann sie verderbliche Folgen haben. Herpes excedens, Lupus, Nekrose 
und Caries der Gaumen- und Nasenknochen, Verkrümmung der Wirbel-
	        
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