584 Simon, Syphilis.
hat die innere Wahrscheinlichkeit für sich; um so mehr, als wir wissen,
dass die Syphilis auf diese Weise am häufigsten verbreitet wird, und die
Symptome aller jener endemischen Krankheitsformen mehr oder weniger
miteinander übereinstimmen. Eben so begreiflich ist es, wie eine solche
Seuche unter rohen Küstenbewohnern und Bauern um sich greifen kann,
wo Aerzte selten sind und noch seltner in Anspruch genommen werden.
Auch die scheinbare und wirkliche Ausartung solcher endemischer
Syphilis in Aussatz darf nicht Wunder nehmen, da die Syphilis ja über-
haupt, mit grösster historischer Wahrscheinlichkeit, nur als eine Tochter
des Aussatzes zu betrachten ist.
SYMPTOME UND VERLAUF,
$. 356. Vergleicht man die Symptome der endemischen Syphilis,
wie sie als Sibbens in Schottland und Irland, als Radesyge und
Spedalskhed in Schweden und Norwegen, als Scherlievo in Dalma-
tien, als Yaws und Pians an den südafrikanischen Küsten und in West-
indien, als kanadische Seuche oder Mal de Chicot, als holsteini-
scheMarschkrankheit, als kurländische und jütländische Seuche,
als Mal de Chavannes et de Lur in Frankreich u. s. w. vorkömmen; so
tragen sie mehr oder weniger das Gepräge der Syphilis in ihren bösarlig-
sten und zerstörendsten Formen, die bald langsamer, bald schneller ver-
laufen. Eine überraschende Aehnlichkeit haben sie mit den Sympliomen
und dem Verlaufe der Syphilis, als sie Ende des Jahrhunderts zuerst aus-
brach, besonders wenn sie sich in erster Frische und Stärke über ganze
Bevölkerungen verbreite.
S. 357. Allen diesen Syphiloiden ist gemeinsam, dass wenn sie
auch wahrscheinlich nicht selten durch den Beischlaf mitgetheilt werden,
doch höchst selten mit Genitalgeschwüren anfangen ; Inguinalbubonen, Harn-
röhren- und Eicheltripper kommen fast nie dabei vor. Ihre gewöhnlichen
Vorboten sind allgemeines Unwohlsein, Mattigkeit, katarrhalische und rheu-
malische Beschwerden, Knochenschmerzen , Brennen im Halse, Angina.
Diese Vorboten gehen kürzere oder längere Zeit voran, und dauern bei
manchen dieser Syphiloiden, wie z. B. beim Scherlievo, Jahre lang;
bisweilen treten sie auch ohne alle Vorboten gleich mit ihren charakteri-
stischen Symptomen auf.
$. 358. Diese bestehen in einer dunkelen, mit Auflockerung ver-
bundenen Röthung des Schlundes, der Mund- und Nasenhöhle, oder we-
nigstens einzelner Partieen derselben. .Auf diesem entzündlichen Boden
entstehen nach Wochen und Monaten Geschwüre, die theils aus Excoria-
tionen, iheils aus Condylomen sich herausbilden, Heiserkeit und näselnde
Sprache zur Folge haben uad endlich den weichen Gaumen, die knöcher-
nen und knorpelichten Theile der Nase zerstören. Früher oder später
entwickeln sich am After und auch an den Geschlechtstheilen nässende
Condylome, in manchen Fällen kupferrothe Flecke, die warzenarlig her-
vorstehen und bisweilen in Zellhautgeschwüre übergehen. Das Allge-
meinbefinden ist, trotz der oft mehrjährigen Dauer, wenig getrübt, ausser
wenn die Halsgeschwüre sich nach dem Kehlkopf und der Luftröhre fort-
pflanzen. Im letzteren Falle entsteht Husten, Dyspnoe und allgemeine
Hinfälligkeit, die zu hektischem Fieber und zum Tode führt.
$. 359. Die Excoriationen in der Mund- und Nasenhöhle geben sich
meist als kleine, linsengrosse, des Epitheliums beraubte, kaum schmerz-