Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Syphiliden. 615 
dentia und Concomitantia, so wie auf den Einfluss der Behandlung Rück- 
sicht nehmen, obgleich letzterer nicht überall maassgebend ist. 
$. 427. Die Antecedentia, primäre Genitalgeschwüre oder, in sel- 
teneren Fällen, virulente Blennorrhoen, primitive Bubonen fehlen nur 
ausnahmsweise; aber es kommen Fälle vor, wo diese abgeleugnet werden, 
wo sie wegen ihrer Leichtigkeit kaum beobachtet worden, oder, weil manch- 
mal Jahre zwischen ihnen und dem Ausbruch der Syphiliden liegen, ver- 
gessen sind. Auch sind wir überzeugt, wenn es auch von vielen 
Aerzten, selbst in neuester Zeit, Rieord an der Spitze, bestritten wird, 
dass die Syphiliden, ohne den Vorgang. irgend eines primären Genital- 
symptoms, unmittelbar als Ausdruck constitutioneller Infektion erscheinen 
können. Wir haben solche Fälle, abgesehen von ähnlichen Erfahrungen 
anderer Aerzte in alter und neuer Zeit, selbst beobachte. Wo nun 
die Antecedentia nicht von uns beobachtet sind, wo sie abgeleugnet wer- 
den, oder Verhältnisse des socialen Lebens uns verhindern dureh .Fragen 
und locale Untersuchungen sie zu constatiren, da müssen wir uns zunächst 
an andere begleitende oder vorhanden gewesene secundäre syphilitische 
Symptome halten. 
8. 428. Die Concomitantia: Hals- und Mundgescehwüre, Drüsenge- 
schwülste, Iritis, Knochen - und Gelenkleiden verschiedener Art, als mehr 
oder weniger charakterisiische Symptome. der Syphilis, geben uns gewöhn- 
lich Aufschluss über das Wesen und 'die Bedeutung irgend eines chro- 
nischen Ausschlags, wenn er auch nicht von entschieden syphilitiischem 
Gepräge ist. Im Ganzen nämlich treten die Syphiliden selten isolirt auf; 
in der Regel ist ein anderes secundäres Symptom gleichzeitig vorhanden, 
vorhergegangen, oder folgt bald darauf. Auf die Concomitantia sind wir 
besonders bei abgearteten Syphiliden, bei phagedänischen, serpiginösen, 
krebsartigen Hautgeschwüren angewiesen, weil hier der syphilitische Cha- 
rakter oft so undeutlich, so verwischt und unkennillich geworden ist, dass 
sie ohne die Antecedentia und Concomitantia leicht verkannt werden kön- 
nen. Am häufigsten, wie wir das selbst erfahren haben, werden syphili- 
tische Beingeschwüre verkannt, wenn sie isolirt auftreten: Eine verhei- 
rathete Dame hatte lange an Beingeschwüren gelitien, die eine Folge des 
Wochenbettes sein sollten; sie wurden äusserlich geheilt, worauf Heiser- 
keit und trockner Husten, späterhin Hals- und Gaumengeschwüre folgten, 
die, für skrophulös gehalten, mit dem Verlust der Uvula und einem Loch 
im Gaumen endeten. — Wo die Conecomitantia fehlen, kann der mit den 
Syphiliden weniger vertraute Praktiker leicht in einen doppelten Irrihum 
verfallen, sie zu verkennen oder andere Ausschläge dafür zu halten. So 
gedenkt Colles eines Falles, wo ein junger Mann als masernkrank behan- 
delt wurde, der an syphilitischer Roseola litt, und eines andern, wo eine 
Acne auf Schultern und Rücken für syphilitische Pusteln gehalten und so 
reichlich mit Quecksilber behandelt wurde, dass der Patient, ein angeh- 
ender Hekticus, an beschleunigter Lungenschwindsucht dahinstarb. 
$. 429. In zweifelhaften Fällen kann biswellen der Erfolg einer Mer- 
kurialkur die Diagnose auf Syphilis bestätigen oder berichtigen; aber es 
ist allerdings ein trüglicher, misslicher und kein entscheidender Beweis. Der 
Beweis ist trüglich. weil auch Ausschläge aus anderen dyskratischen Ur- 
sachen dem Quecksilber weichen können; er ist misslich , weil eine wirk- 
sam sein sollende Merkurialkur kein gleichgültiges Experiment ist; er ist 
  
  
 
	        
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