Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
620 Simon, Syphilis. 
$. 440. Aus Vorstehendem wird man ermessen können, dass die 
Prognose bei den Syphiliden, wesentlich von der Behandlungsweise be- 
dingt wird. Die Flecke und Papeln, als die mildesten, frühesten und ge- 
wöhnlichsten Syphiliden, weichen freilich oft einer leichten und einfachen 
Behandlung; da diese aber keineswegs immer zu gründlicher Tilgung der 
syphilitischen Dyskrasie genügt, so kehren sie unter veränderter Gestalt, 
als Pusteln, Tuberkeln oder Hautgeschwüre wieder, die sieh um so hart- 
näckiger erweisen werden, je inconsequenter, oberflächlicher und unme- 
ihodischer das dagegen eingeleitete Heilverfahren is. Wenn man z. B. 
wie Albers von Alibert anführt, bei schwärenden Tuberkeln an den 
Nasenflügeln, die an sich schon von ernsthafter Bedeutung sind und die 
Existenz der Nase gefährden, nichts als Waschungen mit köllnischem 
Wasser und Betupfen mit Höllenstein anwendet, so ist es eben kein Wun- 
der, wenn die Geschwüre dadurch zwar austrocknen, aber nicht geheilt 
werden, und ein solcher Kranker immer nur mit schlechtem Erfolge durch 
Sublimalkuren u. s. w. kümmerlich hingehalten wird. Nur einer unange- 
messenen, theils oberflächlichen, theils oft nur localen Behandlungsweise 
können wir es daher zuschreiben, wenn manche französische Schriftsteller 
(Humbert) die Prognose der Syphiliden so ungünstig stellen. Betrachtet 
man sie, wie sie sich auch arten mögen, immer nur als Reflexe allgemeiner 
syphiliischer Dyskrasie, und behandelt sie aus diesem Gesichtspunkte 
consequent und, wo es noih thut, energisch; so wird man weder die 
öftere Wiederkehr derselben, noch die ungünslign Metamorphosen in 
schlimmere Formen, oder gar den endlichen Tod des Patienten zu beklagen 
haben. Begnügt man sich hingegen, die Syphiliden durch innere und 
äussere Mittel zum Schwinden zu bringen; so provocirt man selbst Reeci- 
dive, und behandelt man diese wieder auf ähnliche Weise, so wird die 
syphilitische Dyskrasie immer tiefer wurzeln und die Prognose sich immer 
ungünstiger stellen. In so fern kann man ohne Uebertreibung behaupten, 
dass die Prognose bei den Syphiliden, abgesehen von der Form, der Zeit- 
dauer, der Constitution des Patienten, wesentlich, ja hauptsächlich von 
der Behandlungsweise abhängt. 
Behandlung der Syphiliden. 
$. 441. Zuvörderst gelten für die Syphiliden dieselhen therapeuti- 
schen Grundsätze, welche für die eonstitulionelle Syphilis überhaupt gelten, 
abgesehen von den Modificationen, welche die einzelnen Formen, der frü- 
here oder spätere Ausbruch, der akute oder chronische Verlauf, die Con- 
stitution, das Lebensalter und die Lebensverhältnisse des Patienten er- 
heischen. Dass manche Formen derselben, welche, wie z.B. die Roseola, 
die Maculae, die Papeln und selbst die Pusteln, oft unter fieberhaften 
Symptomen hervorbrechen, von kritischer Bedeutung seien, haben wir 
schon früher bestritten. Wenn auch die vor dem Ausbruch der‘ genannten 
Syphiliden bestandenen Symptome: das Kopfweh, die Schwere in den 
Gliedern, die rheumatischen Schmerzen, Husten oder pleuritische Symptome 
verschwinden, so geschieht das nur in Folge des nach aussen hin abge- 
lagerten oder fixirten Krankheitstoffes, der früher im Organismus formlos 
herumvagirte und die Gesundheit auf unsichtbare Weise störte. Und wie 
unzuverlässig ist nicht auch im Ganzen ihre gründliche Heilung durch 
eine antiphlogistische oder diaphoretische Behandlung, die doch, wenn die 
Syphiliden von wirklich kritischer Bedeutung wären, in der Regel genügen 
müsste! Sie verschwinden freilich öfter bei einer solchen Kurmethode, 
besonders wenn diese durch Kleien-, Seifen-, oder salpetersaure Bäder 
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