Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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giftung mit Strychnin, eine Chlorbaryumversiftung mit salpetersaurem Ba- 
ryt, eine Aetzkalivergiftung mit Aetznairon behandeln wollte, würde sich 
begreiflich der aller grössten Thorheit schuldig machen. 
8. 95. Was die homöodynamischen Gifte betrifft, so verstehen wir 
darunter solche, welche bei ungleichen chemischen Eigenschaften ähn- 
liche Grundwirkungen offenbaren, wenn auch unähnliche Zweig- oder 
Nebenwirkungen. Die Zahl derselben ist nicht unbedeutend, wie man 
einsieht, wenn man nur folgende homöodynamische Gifte durchmustert: 
Merkurialien —, Antimonialien —, Bleipräparate —, Arsenikalien —, Al- 
koholica —, Jod- und Brompräparate —, Mineralsäuren —, viele Pflan- 
zensäuren —, viele ätherische Oele —, Fingerhut, Tabak, Schirling —, 
Nieotin und Coniin —, Akonitin, Delphinin, Veratrin —, Strychnin, Pikro- 
toxin u. v. a. Werden Gifte dieser Art gleichzeitig oder kurz hinterein- 
ander zur Einverleibung gebracht, so hat man zu erwarten, dass ihre 
Grundwirkungen zusammenfallen und sich im Sinne der Addition summi- 
ren, wenn auch die Neben- oder Zweigwirkungen nebeneinander fallen 
oder wohl gar sich entgegentreten. So darf man darauf rechnen, dass 
Strychnin (oder Bruein) und Pikrotoxin gleichzeitig oder kurz hinterein- 
ander einverleibt in ihren auf das Rückenmark gerichteten Grundwirkun- 
gen sich unterstützen, während vielleicht einzelne Nebenwirkungen, wie 
z. B. die auf die Speicheldrüsen gerichteien Wirkungen des Pikrotoxins 
für sich allein zum Vorschein gelangen. So hat man zu erwarten, dass 
Kalomel und Sublimat gleichzeitig oder kurz hintereinander einverleibt, in 
ihren auf das Blut gerichteten Wirkungen sich unterstützen, während viel- 
leicht einzelne Nebenwirkungen, wie z. B. die auf die ersien Wege ge- 
richteten Wirkungen des Kalomels allein sich offenbaren. Für die Be- 
handlung der Vergiftungen sind diese Verhältnisse begreiflich von grosser 
Wichtigkeit. Niemals darf man zur Bekämpfung der Wirkung eines Giftes 
ein homöodynamisches Gift anwenden, wenn es darauf ankommt, der 
Grundwirkung des einverleibten Giftes entgegenzutreten. So darf man 
z. B. nie Sublimat oder salpetersaures Quecksilber zur Anwendung brin- 
gen, wenn es darauf ankommt, den durch Kalomel erzeugten Merkurialis- 
mus zu beseitigen; dagegen wird sich zuweilen der Sublimat ganz nütz- 
lich verwenden lassen, wenn es darauf ankommt, die auf Tilgung des 
syphilitischen Giftes gerichteien Wirkungen des Kalomels zu steigern. So 
darf man, um ein weiteres Beispiel anzuführen, nie Belladonna oder Hyos- 
cyamus verordnen, wenn daran gelegen ist, die durch Opium erzeugte 
Narkose zu beseitigen; dagegen kann man die genannten Mittel zuweilen 
recht gut zur Anwendung bringen, wenn es darauf ankommt, die gegen 
Alkoholismus gerichteten Wirkungen des Opiums zu unterstützen. 
S. 96. Was die allodynamischen Gifte betrifft, so begreifen wir 
darunter solche, welche bei ungleichen chemischen Eigenschaften auch 
ungleiche und unähnliche Grundwirkungen verrathen, wenn auch einzelne 
Zweig- oder Nebenwirkungen sich gleich oder ähnlich verhalten. Als 
solche Gifte können z. B. Aetzkalk und Blausäure, Bleiweiss und Brech- 
weinstein, Mennige und Strychnin u. v. a. betrachtet werden, die in der 
That mit ihren Grundwirkungen völlig differiren. 
. Unter den allodynamischen Giften nehmen jedenfalls die anlidyna- 
mischen Gifte die bedeutendste Stelle ein. Man begreift darunter alle die 
toxischen Substanzen , welche gleichzeitig oder kurz hintereinander ein- 
verleibt mit ihren Wirkungen entweder im Ganzen, oder zum Theile sich 
entgegentreten, sich bekämpfen oder sich aufheben. Werden solche Gifte, 
 
	        
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