Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
84 Falck, die klinisch wichtigen Intoxikationen. 
sonderen Sachverständigen (Pharmazeuten, Chemiker, Botaniker, Toxiko- 
logen) auszuführen hat. Aus diesem Grunde scheint es überflüssig an 
dieser Stelle, wo nur den Bedürfnissen des klinischen Arztes Rechnung zu 
tragen ist, eine Anleitung zur Analyse verdächtiger Substanzen zu geben. 
Wir stehen daher von der Erörterung der toxikognostischen Proceduren, 
die zur Nachweisung der Gifte in verdächtigen Substanzen in das Werk 
zu richten sind, völlig ab und verweisen deshalb auf das, was in den 
Hand- und Lehrbüchern der gerichtlichen Chemie und Medizin darüber 
beigebracht wird. 
XII. Die Prognostik. 
8. 135. Die bei vorkommenden Vergiftungen zu stellenden progno- 
stischen Fragen wurden in früherer Zeit meistens recht ungünstig beant- 
wortet. Der Grund davon war darin gelegen, dass man fälschlich nur die 
Substanzen als Gifte prädieirte, welche äusserst lebensbedrohend sind, 
d. h. welche in relativ kleinen Dosen einverleibt den Tod herbeiführen. 
Fasst man dagegen den Begriff der Gifte richliger und zwar so, wie wir 
es oben ($. 2) gethan haben, so kann man unmöglich bei allen Vergiftun- 
gen nur Schlimmes und Unheilvolles vorhersagen, sondern man muss je 
nach Verschiedenheit der bei den Vergiftungen concurrirenden Factoren 
und Verhältnisse bald eine günstige, bald eine ‘nehr oder weniger ungün- 
stige Prognose stellen. Um dieses aber mit einiger Sicherheit ausführen 
zu können, ist es nölhig die bei den Vergiftungen concurrirenden Facto- 
ren mit ganz besonderer Rücksicht auf die prognostischen Fragen einzeln 
zu erwägen und die einzelnen günstigen oder ungünstigen Anzeichen in 
das Auge zu fassen, welche bei Vergiftungen vorkommen können. 
$. 136. Um bei vorkommenden Vergiftungen die prognostischen 
Fragen mit einiger Sicherheit zu beantworten, sind vor Allem die concur- 
rirenden äusseren Verhältnisse in Anschlag zu bringen. Dahin gehö- 
ren aber 
1) die Natur und Intensität des eingenommenen Giftes. 
Findet man nämlich, dass intensive, leicht tödtlich wirkende Gifte in den 
Körper eingeführt wurden, so hat man im Allgemeinen eine ungünstige 
Prognose zu stellen, dagegen die prognoslischen Fragen günstig zu bean- 
worten, wenn ein weniger intensives, nicht leicht tödtlich wirkendes Gift 
einverleibt wurde. Diesem entsprechend hat man z. B. bei den durch 
Schlangengift, Wuthgift, Curare, Blausäure, Coniin, Nicotin u. S. w. ver- 
anlassten Intoxikationen im Allgemeinen nur Schlimmes zu verkünden, 
während man bei den durch Jalappe erzeugten Affectionen, oder bei der 
durch Bleiweiss erzeugten Kolik eine günstige Prognose stellen darf und 
bei der durch Alkohol, Aether und Chloroform erzeugten Narkose in den 
meisten Fällen ein rasches und gutes Ende voraussagen kann. 
2) Die Dose und Form des eingenommenen Giftes. Bringt 
man in Erfahrung, dass grosse Dosen von Gift genommen wurden, so hat 
man die Prognose im Allgemeinen ungünstig zu stellen, während man bei 
mittleren, oder kleinen Dosen im Allgemeinen Günstiges voraussagt, VOT- 
ausgesetzt, dass man die Reiteration kleiner und mittlerer Dosen nicht 
unterschätzt. Stellt sich heraus, dass das genommene Gift als gasförmige 
oder tropfbare Flüssigkeit eingenommen wurde. so hat man im Allgemei- 
nen Schlimmeres zu verkünden, als nach dem Einnehmen pulverförmiger, 
pillenförmiger und anderer cohärenter und fester Gifte. Mit Rücksicht dar- 
auf hat man z. B. einem Menschen, der eine grosse Dose von Morphin, 
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