Full text: Krankheiten des chylopoetischen Systems (6. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
512 Bamberger, Krankheiten der Leber. 
verdauung keinen direkten Einfluss zu nehmen; zahlreiche pathologisch Facta 
und physiologische Experimente Sprechen wenigstens dafür, dass auch bei 
völlig gehemmiter Gallenzufuhr die Verdauung gänzlich normal bleiben 
könne. Der von Vielen als Grund der Verdauungsstörungen angeschul- 
digte Druck der vergrösserten Leber auf den Magen ist gewiss, besonders 
wenn die Vergrösserung des Organs, wie diess gewöhnlich der Fall ist, 
langsam geschieht, von sehr geringem, meist von gar keinem Einfluss, 
denn gerade bei den enormsten Vergrösserungen der Leber (bei Hydati- 
denbildung, Krebs, Speckleber) sieht man häufig die Verdauung ganz 
ungestört. , 
Dass aber die Leberkrankheiten auf die Assimilalion und Ernährung 
einen sehr bedeutenden Einfluss haben, kann keinem Zweifel unterliegen. 
Bei allen länger dauernden Affeetionen derselben sehen wir in der Regel, 
selbst wenn der Appetit vollkommen unversehrt bleibt oder doch nur 
wenig leidet, sehr bald allgemeine Abmagerung, Verlust der Kräfte ein- 
treten. Häufig stellt sich eine hydraemische Beschaffenheit des Blutes ein, 
die zu allgemeinem Hydrops führt oder eine der scorbulischen ähnliche 
Blutdissolution, die zu Haemorrhagieen in den verschiedensten Organen, be- 
sonders zu Blutungen aus den Schleimhäuten — dem Zahnfleische, dann 
der Nase, der Magen- und Darmschleimhaut — Veranlassung gibt. — 
Da alle diese Folgezustände eben so wohl bei Krankheiten der Leber, die 
mit Icterus, als bei solchen, die ohne denselben verlaufen, vorkommen, 
so scheint es nicht, dass die Abwesenheit der Galle in den Darm hier- 
auf von wesentlichem Einfluss ist, worauf wir bei Gelegenheit des Icterus 
noch zurückkommen werden. Zum Theil schon aus diesem Grunde kann 
man Henle nicht Recht geben, wenn er solche Blutungen beim Ieterus 
aus einer absolulen Vermehrung des Blutes herleitet, die durch den Aus- 
fall einer so wichtigen Function wie die Gallenseeretion ist, bedingt sein 
soll. Noch weniger aber kann man mit Henle übereinstimmen, wenn man 
sich durch die Erfahrung überzeugt, dass solche Blutungen gerade bei 
höchst herabgekommenen und cachectischen Individuen vorkommen, bei 
denen gewiss von Allem eher als von Plethora die Rede sein kann. Bei der 
unbesirittenen Wichtigkeit hingegen, die die Leber für die Blutmischung be- 
sitzt, bei der grossen Wahrscheinlichkeit die dafür existirt, dass in derselben 
neue Blutzellen gebildet oder die alten verjüngt werden (E. H. Weber, 
Kölliker, Lehmann), endlich auch vielleicht in Folge ihrer jüngst 
von Bernard entdeckten und gegenwärtig so viel besprochenen, ob- 
wohl wie es uns scheint, noch nicht über alle Zweifel erhabenen Funk- 
tion der Zuckerbereitung, muss es sich wohl fast mit Nothwendigkeit er- 
geben, dass wesentliche anatomische Veränderungen oder Funktionsstö- 
rungen derselben für die Blutmischung und die Ernährung des Organismus 
‚ von der wesentlichsien Bedeutung sind. — Die Behandlung der Digestions- 
und Nutrilionsstörungen ist häufig eine directe, gegen die speeielle Erkran- 
kung der Magenschleimhauti, namentlich den Magencatarrh gerichtete, sehr 
häufig aber kann sie nur eine indirecte sein und muss die mögliche Be- 
schränkung mechanischer Hyperämieen, die Beseitigung oder Minderung 
der Leberkrankheit, die Krälligung des Organismus im Allgemeinen zum 
Zwecke haben. 
S$. 10. 3) Cireulationsstörungen. Alle Krankheiten durch welche 
entweder die Pfortader selbst und ihre Hauptäste oder ihre feineren Ver- 
zweigungen im Leberparenchym in srösserer Ausdehnung durch Versto- 
pfung oder ‘durch Schrumpfungen, Verdichtungen oder Ablagerungen in 
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