Full text: Potsdam ([Band 1])

  
SCHINKEL UND DIE STADTPOTSDAM 
sich vergegenwärtigen, daß in den gleichen Jahren nicht 
nur Charlottenhof und Glienicke als kleine Schloßbauten 
bei Potsdam entstanden, sondern auch vor allem in der 
Stadt der großartige Kasinobau gefördert und zu Ende 
geführt wurde. Noch während des Museumsbaus ent- 
standen für die geplante neue Nikolaikirche in Potsdam 
sechs Entwürfe, die ein Beweis der außerordentlichen 
Schaffenskraft des Meisters in jenem Zeitabschnitt sind. 
In das Jahr 1828 fallen die ausführlichen Großpläne 
für Kirchen in der Oranienburger Vorstadt Berlins, die 
eng mit Plänen für die Potsdamer Nikolaikirche ver- 
knüpft sind und deren einer den Vorentwurf für einen 
gewaltigen Kuppelbau enthält. Noch vor Ablauf des 
Jahrzehnts (1829) lieferte der Meister die Doppel- 
entwürfe für eine basilikale und eine zentrale Gestaltung 
mit Kuppel für die Potsdamer Kirche, so daß also die 
große Berliner Bauepoche gleichzeitig die Vor- 
bedingungen für die größte bauliche Leistung in Pots- 
dam schuf. Schinkel stand nunmehr im 48. Lebensjahre, 
mit 37 Jahren hatte er seine Arbeiten für Potsdam 
begonnen und die ganze Kraft der glücklichsten und 
erfolgreichsten Zeit seines Lebens an sie gewendet. 
Nimmt man das Gebäude der Bauakademie in Berlin 
als epochemachend für eine letzte Wendung in der 
letzte 
große Schöpfung in Berlin an, so kann man er- 
Entwickelung Schinkels und gleichzeitig als 
messen, mit welcher Eindringlichkeit er sich jenem 
Bauwerk zuwandte, das seit 1831 in Potsdam im 
Entstehen begriffen war, der Nikolaikirche. Sie sollte 
ihm Ersatz bieten für so manche im Verlaufe der zwan- 
ziger Jahre unter schweren und schmerzlichen Ent- 
täuschungen gescheiterten Monumentalpläne, so den des 
Stralauer und dann des Rathenower Kirchturms, die 
für die Kirchen in der Berliner Oranienburger Vorstadt, 
die Nationaldenkmäler für Friedrich den Großen und 
die Freiheitskriege. Die Auffindung der eingehenden 
Bauberichte des bauführenden Architekten Ludwig 
Persius ermöglichte nicht nur die Feststellung der 
Fortschritte des Baus und seiner Innengestaltung im 
Laufe von sechs Jahren, sondern auch des Eingreifens 
des Meisters in alle Einzelheiten der Ausführung. Sie 
lassen auch die Hemmungen im Fortgange und die 
dadurch bedingte Verzögerung bis ins Jahr 1837 deutlich 
Wichtiger Stoff konnte ferner dem Brief- 
wechsel zwischen Schinkel und Persius während der 
erkennen. 
Bauzeit entnommen werden, vor allem auch über die 
Fragen der mangelhaften Akustik des ausgeführten 
Gebäudes. Der Weiterbau nach Schinkels Tode mußte 
soweit herangezogen werden, als er Aufschlüsse über die 
pietätvolle Verwirklichung der Ideen des Meisters bot. 
Als Nebenarbeiten erscheinen die Entwürfe Schinkels 
zur Innenausstattung zweier kleinerer Kirchen, der 
Französischen und der des heiligen Alexander Newski. 
Von besonderer Wichtigkeit aber war es, zum erstenmal 
die Einwirkung auf die Bürgerbauten der Stadt Potsdam 
festzustellen. Wenn auch nur für ein Haus der Nachweis 
geführt werden konnte, daß ihm ein Entwurf des 
Meisters zu Grunde liegt, so hat er doch bei manchen 
anderen Bauten als Mitglied der Oberbaudeputation sein 
maßgebliches Urteil abgegeben und Änderungen vor- 
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genommen, auch dafür gesorgt, daß bei den Bauvor- 
haben in seinem Sinne verfahren wurde. Sein Einfluß 
auf die bürgerliche Bauweise der Stadt war dadurch 
bedingt, daß die ursprünglich zum Teil oder ganz 
Kosten 
Potsdams aus dem sogenannten Immediatbaufonds aus- 
auf königliche ausgeführten Bürgerhäuser 
geführt wurden, bei dessen Verwendung die Oberbau- 
deputation ein gewichtiges Wort mitzusprechen hatte. 
Dazu kam noch der mittelbare Einfluß, den Schinkel 
durch seine Schüler ausübte. Das Wohnhaus von Per- 
sius war mit heranzuziehen, weil es ganz im Schinkel- 
schen Geiste gehalten ist. 
Ist bei Persius trotz aller Abhängigkeit die eigene Note 
unverkennbar, wenn auch gegenüber dem Dur des 
Meisters in einem gewissen Moll erklingend, so haben 
wir in Christian Heinrich Ziller den Schinkelschüler vor 
uns, der nur als Nachahmer bei den städtebaulichen 
Aufgaben in Potsdam erscheint. Gewiß verwertet er 
Baugedanken seines verehrten Lehrers, aber sie scheinen 
uns für den gewöhnlichen Gebrauch in der Form, in 
der er sie gibt, eben ausreichend. Das schließt nicht 
aus, daß er in einzelnen Fällen reizvolle Wirkungen 
erzielt hat, und daß wir überall Schinkels Geist im Hinter- 
grunde spüren. Wichtig sind sie vor allem für die von 
Schinkel für gut erachtete Art, die städtebauliche 
Durchgestaltung Potsdams nicht in Nachahmung 
Friedrich Wilhelms I. oder Friedrichs des Großen, 
sondern im Geiste eigenen Bauwillens ins Werk zu 
setzen. Zweifellos zeichnen sich die auf diese Weise 
zustande gekommenen Gebäude selbst in einer anders- 
gearteten Umwelt durch bürgerliche Schlichtheit, un- 
bedingte Sachlichkeit und harmonische Eingliederung 
aus. Die sehr beschränkten Mittel des Immediat- 
baufonds im Gegensatz zu den reicheren der Immediat- 
baukasse des Großen Königs verhinderten aber eine voll- 
ständige Umgestaltung der Neustadt im Sinne Schinkels. 
In oft mühseliger Arbeit war es weiterhin möglich, 
den Schinkelschen Anteil an vielfältigen Bauten der 
Militärbehörden zu bestimmen. Das Militärökonomie- 
departement des preußischen Kriegsministeriums ließ 
die Garnisonbauten durch den früheren Garnisonbau- 
inspektor in Köln, Karl Hampel, ausführen, der sich 
als tüchtiger Schüler Schinkels erwies. Seine Arbeiten 
wurden bisher Schinkel zugeschrieben, sie sind indessen 
alle nur unter mehr oder minder starker Mitwirkung 
des Meisters entstanden. 
Neben Hampel tritt einige Male der Regierungs- und 
Baurat Carl Wilhelm Redtel, früher ebenfalls in Köln 
tätig, hervor. Auch er schuf ganz im Sinne Schinkels, 
und bei einzelnen Gelegenheiten wird der ihm schon 
für Köln bescheinigte Hang zu einer gewissen Unver- 
träglichkeit und Eigenwilligkeit sichtbar. Sein Haupt- 
werk ist die Neugestaltung des Predigerwitwenhauses. 
Bei der Langen Brücke ist der Anteil Schinkels auf die 
Anlage des Teltower Tores mit seinen beiden Torhäus- 
chen zu beschränken. 
Für die ‚Glienicker Brücke, die ganz in Stein ge- 
halten war, liegen eigene Entwürfe Schinkels vor. 
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