Full text: Potsdam ([Band 1])

  
DIE ST. NIKOLAIKIRCHE 
  
8. Kuppelentwurf des Kronprinzen 
Friedrich Wilhelm (IV.) 1826 
wickelt; denn Friedrich Wilhelm III. muß, wie aus den 
Entwürfen Schinkels vom Oktober 1826 hervorgeht, 
unter Hinweis auf ein bestimmtes Vorbild ebenso nach- 
drücklich, wie sein Sohn die Kuppel zur Debatte ge- 
stellt hatte, eine Lösung im Sinne der Basilika verlangt 
haben. Schinkel suchte nun beiden Strömungen gerecht 
zu werden, indem er vier Pläne für eine Basilika lieferte 
und einen fünften im Sinne eines Zentralbaues mit auf- 
zusetzender oder wegzulassender Kuppel hinzufügte, 
von dem er vielleicht hoffte, im Bündnis mit dem Kron- 
prinzen die Ausführung doch noch durchzusetzen. Die 
ersten Entwürfe zeigen seinen guten Willen, den Wün- 
schen des Königs gerecht zu werden; die vom Kron- 
prinzen angeregte, aber vom Meister umgestaltete Idee 
des Kuppelbaus ist mit voller Absicht an den Schluß 
gestellt. Den Zeichnungen Schinkel-Museum XXIV b 
1—6 (Abb. 12—17) sind «Bemerkungen zu den Plänen 
für die in Potsdam neu zu erbauende Kirche » bei- 
gefügt. Sie lauten folgendermaßen: 
«Blatt Nr. I stellt die Kirche St. Philippe du Roule 
in Paris dar. Bei dieser Kirche, welche nur die Vorder- 
Jassade gegen eine Hauptstraße kehrt, ist die Seiten- und 
Hinterfronte vernachlässigt. Die Vorderfassade hat un- 
geachtet der Kolossalität der vier toskanischen Säulen, 
welche die vom Berliner Schauspielhause um drei Fuß an 
Höhe übersteigen, etwas Dürftiges, zugleich wenig Kirch- 
liches. Im Innern sind die Säulenreihen zu weit nach der 
Mitte hineingestellt, dadurch wird der Raum für die Zu- 
hörer einer evangelischen Kirche geschmälert, weil hinter 
den enggestellten Säulen nicht viel auf das Sehen der Kanzel 
und das Hören des Predigers zu rechnen ist. 
Blatt Nr. II. Neuer Entwurf in Form einer reinen 
Basilika, welcher sich im ganzen am meisten dem Plan 
Nr. I anschließt, jedoch mit folgenden Unterschieden: der 
Portikus ist sechssäulig, die Säulen selbst aber von mäßigerer 
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Proportion. Die übrigen Fassaden sind gleichfalls mit 
korrespondierender Architektur versehen, weil das ganze 
Gebäude ringsum freiliegt. Die Säulenstellung im Innern 
ist weiter aus der Mitte gerückt, die Säulen untereinander 
stehen weiter auseinander und sind von geringerer Stärke, 
weıl in der Höhe zwei Rang übereinandergestellt sind. Alle 
diese Einrichtungen gewähren größere Vorteile für Sehen 
und Hören. Die Kirche hat statt der ganz gewölbten Decke, 
die dem Sprechen hinderlich ist, eine flache Decke erhalten. 
Es ist Raum für 1300 bis 1500 Menschen in dieser Kirche. 
Der Situationsplan zeigt, welchen Raum sie auf dem 
Platze einnehmen wird. In den vier oberen Ecken des 
Gebäudes sind Räume für mäßige Glocken angebracht. 
Blatt Nr. III. Ein anderer neuer Entwurf in der Total- 
größe dem ad Nr. II gleich mit einer anderen Einrichtung 
im Innern: Statt der Unterstützung der Kirchendecke 
durch fünf Säulen an jeder Seite sind nur zwei Säulen 
angebracht, über welche Bogen gespannt sind, hierdurch 
werden für das Hören und Sehen noch mehr Hindernisse 
aus dem Wege geräumt. Der obere Rang Säulen fällt 
hiernach fort. Die Seitenfassade bekommt in Konsequenz 
dieser inneren Einrichtung große Bogenfenster. Die 
vordere Fassade ist ganz der ad II gleich, und also kann der 
Effekt der hier gegebenen perspektivischen Ansicht für den 
Entwurf Nr. II in dieser Partie mit dienen. 
Blatt Nr. IV. Ein anderer neuer Entwurf, bei welchem 
die Länge der äußersten Extremitäten so viel bedeutender 
angenommen ist, daß die Treppe des Portikus bis A (im 
Situationsplan Nr. II) vortritt und dann im Alignement 
der Häuser in der am Rathause laufenden Straße liegt. 
Im Innern sind die Bogenspannungen noch weiter ge- 
halten, um noch mehr Räumlichkeit zu gewinnen, so daß 
1500 bis 1600 Menschen Platz erhalten. 
Blatt Nr. V. Ein anderer Entwurf nach den Prinzipien 
von Nr. II, jedoch in einer solchen Breite projektiert, daß 
die Kirche über 2000 Zuhörer fassen kann. Wegen des 
größeren Flächeninhalts und der danach proportionierten 
größeren Höhe würden sich hier die Kosten um die Hälfte 
vermehren. 
Blatt Nr. VI. Ein anderer Entwurf gleichfalls auf eine 
Anzahl von 2000 Zuhörern berechnet. Die Kirche ist mit 
einem flachen Kuppelgewölbe überspannt, in dessen Zenit 
ein einfallendes Licht angebracht ist. Dieser Entwurf ge- 
währt die Freiheit, in der Folge einmal eine hohe Kuppel 
mit Tambour aufzusetzen, wenn ein solcher Bau etwa jetzt 
zu viel Kosten mit einem Mal verursachen sollte. Wie die 
Form einer solchen Kuppel ausfallen könnte, ist auf einem 
besonderen Blatte, zum Aufpassen, angegeben. Die Kosten 
dieses letzten Entwurfes werden die von Nr. V noch um 
etwas übersteigen wegen der Gewölbe und der dazu nötigen 
stärkeren Widerlager und Grundmauern. Der späterhin 
vielleicht einmal auszuführende Dom über dieser Kirche 
würde dann zirka zwei Fünftel von den Kosten noch mehr 
betragen.» 
Als Ganzes gesehen, kann diese Folge von Entwürfen, 
die dem König vorgelegt zu werden bestimmt war, als 
ein diplomatisches Meisterstück des großen Architekten 
bezeichnet werden. Der erste Entwurf läßt schließen, — 
und wir werden später beim Turmentwurf Friedrich 
Wilhelms III. Ähnliches finden, daß der König nicht
	        
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