DIE ST. NIKOLAIKIRCHE
12. Kirche St. Philippe du Roule. Zeichnungen von Schinkel, 1826
kuppel mit Oberlicht überspannt. Der Grundriß bildet
ein Quadrat. Die vier nach innen vortretenden ge-
waltigen Eckpfeiler geben ihm die Grundform eines
griechischen Kreuzes mit verkürzten Kreuzarmen.
Wir haben also einen reinen Zentralbau vor uns, der
für protestantische Bedürfnisse besonders geeignet er-
schien und der für eine Zuhörerschaft von 2000 Per-
sonen bestimmt ist. Bei der Konstruktion des Unter-
baus muß der Meister bewußt oder unbewußt von dem
Grundriß einer protestantischen Normalkirche von
Catel ausgegangen sein. Bei Schinkel hat dieser zuerst
von Catel in Form gebrachte Gedanke eine selbständige,
eigenartige und noch reinere Durchbildung erfahren.
Wesentlich für die Eigentümlichkeit des Schinkelschen
Entwurfs ist dabei die Weglassung der von Catel nach
dem Muster von St. Peter in Rom, St. Paul in London
und auch dem Pariser Pantheon noch festgehaltene Ab-
schrägung der vier großen Eckpfeiler des Kuppelunter-
baues, wodurch die «antikische» Wirkung des Innen-
raums sicherlich ganz erheblich gesteigert wird. Von
außen ähnelt dieser Bau den Entwürfen IV und V, auch
ihn schließt oben ein zurücktretendes Zeltdach, auch
er hat die sechssäulige Vorhalle, die dreigeteilten
Fenster an den Ecken der Vorderseite, dazwischen aber
ein Spruchband und darüber ein Kranzgesims als
Krönung (Abb. 17).
Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß Schinkel
bei der blockhaften Gestaltung seiner Bauten in den
Entwürfen IV, V und VI ein bestimmtes Vorbild für
das Äußere als Anregung für diese ganz eigenartige fast
dachlose Form vor Augen hatte. Das ist jener Entwurf
Gillys von 1796, den er 1801 für den Stich von Wachs-
mann gezeichnet hatte. Bei augenscheinlich anderer
Innenkonstruktion haben wir im Äußeren bis auf die
bei Gilly etwas mehr hervortretende Flachkuppel das
gleiche Bild: die sechssäulige Vorhalle, das durch-
gezogene, an ihr Gebälk anschließende Gurtgesims und
die dreiteiligen oberen Eckfenster mit der dazwischen
befindlichen Inschrifttafel. Aus der schweren dorischen
Ordnung aber sind Säulen und Schmuckwerk in heitere
korinthische Pracht übersetzt, die aber doch voll
Würde ist.
Und, wie einem Einfall folgend, aber von voll beab-
sichtigter Wirkung auf den Beschauer, hat der Meister
ein Blatt zum « Aufpassen » beigegeben, um für «spätere »
Aufsetzung einer Kuppel vorzuarbeiten. Es mußte ja
immer mit der Ängstlichkeit des Königs gerechnet
werden, der Bau würde sich als zu kostspielig erweisen.
So wurde ihm, Zug für Zug, schließlich der End- und
Hauptplan als lockend vors Auge gestellt, dessen Groß-
zügigkeit er doch auch anerkennen mußte. Die Kuppel,
die Schinkel plante, ist trotz der Vorläufer, die wir in
den Zeichnungen des Kronprinzen fanden, ebenso wie
der Unterbau ein ganz eigener Gedanke des Meisters,
aus dem Tempietto Bramantes selbständig heraus ent-
wickelt. Auf kreisrundem Sockel umstellt eine korinthi-
sche Säulenhalle die Kuppeltrommel. Das Haupt-
gesims über den Säulen schmückt ein Akroterienkranz.
Über ihm erhebt sich ein niedriger mit Quaderfugen
versehener Aufsatzstock mit Fenstern, die wie die hinter
15