DIE ST. NIKOLAIKIRCHE
1831 wurde der Bauleitung von seiten des Ministeriums
auf königlichen Befehl eröffnet, die Arbeiten sollten
unter den damaligen Verhältnissen nur langsam vor-
schreiten, auf die frühere Verteilung der Baukosten
(etwa 72 000 Taler) könne nicht weiter gerechnet werden,
die Fortsetzung des Baus sei nach den vom Ministerium
jedesmal zu bewilligenden Geldmitteln einzurichten. »
Also lag die Verzögerung an den zu langsam folgenden
Zahlungen, und diese Erklärung von Persius ist nicht
ohne Berechtigung abgegeben, wenn auch der König
den Einwand erheben konnte, er habe zweimal Sonder-
bewilligungen von 18000 und 20000 Talern geleistet.
Zweimal hatte aber auch die Regierung dringend um
die Auszahlung ihr zustehender flüssiger Gelder bitten
müssen.
Der König verfügte nunmehr am 21. November 1832
an den Minister von Schuckmann: «In Beziehung auf
die anliegende Anzeige (von Bassewitz) will ich Ihre
Angabe von dem Betrage der Summe erwarten, welche
erforderlich ist, um im künftigen Jahre den Bau der
Nikolaikirche in Potsdam bis zur Vollendung der beiden
Türme fortzusetzen, indem ich diese Summe vorschuß-
weise auf meine Schatulle anweisen will.» Schuckmann
erklärte darauf, es seien 75 000 Taler aus der Schatulle
erforderlich. Demgegenüber meldete die Regierung am
12. Dezember, nach Persius’ Bericht seien für 1833
94 400 Taler nötig, wenn man die erbetenen 65 000 Taler
abziehe, so blieben noch 29 400 Taler übrig, man müßte
demgemäß rund 30000 Taler aus der Schatulle er-
warten. Gefahr war im Verzuge! Was Schinkel durch
hinhaltende Behandlung hatte verhindern wollen, näm-
lich die Aufsetzung der beiden vom König gezeichneten
abgekürzten Kuppeltürme, schien mit einem Schlage
in die Erscheinung treten zu sollen.
Dieser Stand der Dinge rief den leitenden Architekten
selbst auf den Plan.
18. Dezember 1832 einen eigenhändig geschriebenen
Aus Berlin richtete er unterm
Brief an den Herrscher:
«Nachdem Eure Königliche Majestät für eine schleunige
Vollendung der St. Nikolaikirche in Potsdam die Aus-
führung der beiden Türme schon für das kommende Jahr zu
befehlen geruht haben, wage ich über die gesamte Bauanlage
die nachstehenden Bemerkungen in tiefster Untertänigkeit
vorzulegen. Bei quadratischer Grundrißform einer Kirche
werden zwei Türme dem Gebäude ein unfertiges Aussehen
geben, weil die hinteren leeren Ecken für Aufnahme von
Türmen gerade so motiviert sind wie die andern. Die Regel
ist, daß man bei quadratischer Grundrißform eine größere
Kuppel in der Mitte und vier kleinere auf den Ecken findet,
diese Anordnung haben die Kirchen, welche aus dem neu-
griechischen Stil entstanden sind, z. B. ın Rußland. Zwei
Türme allein sieht man nur bei langen Kirchen im Mittel-
alterstil.
Dem reinen altgriechischen Stil sind die Türme ent-
gegen, deshalb möchte die St. Nikolaikirche ihrer auch
entbehren können, da sie ohnehin anderweitig mit Glocken-
räumen in angemessener Höhe versehen ist. Die Weg-
lassung der beiden Türme erspart 21325 Taler, das
Blatt A ohne Klappen zeigt die Wirkung, welche dem
griechischen Stil vollkommen entspricht. Die zur Aus-
führung bestimmten beiden kleinen Türme auf der
Klappe B heben die ruhige Wirkung auf, ohne dem Ge-
bäude dagegen ein imposanteres Ansehen zu verleihen.
Eine größere Kuppel auf der Klappe C stimmt harmonisch
mit der unteren Kirche im altgriechischen Stil überein.
Der ganze Bau, welcher nach Allerhöchst genehmigtem
Bauplane noch vier Jahre zur gänzlichen Vollendung
fordert, verlangt bei Ausführung der beiden Türmchen
jährlich rund 64.038 Taler, bei der Ausführung einer
größeren Kuppel 84 371 Taler. Diese Differenz erscheint
im Verhältnis des Werts für das Gebäude unbedeutend.
Der Turm der Garnisonkirche in Potsdam auf dem
Blatte D nach gleichem Maßstab aufgetragen, ist kolossal;
bei Vergleichung der Zeichnungen erscheinen die Türmchen
der neuen Kirche etwas kleinlich, nicht so die Kirche
allein. Eine größere Kuppel aber führt ein vollkommenes
Gleichgewicht herbei, was bei der äußeren Ansicht der
Stadt auf dem Blatt C besonders heraustreten wird. Die
Ausführung der größeren Kuppel erlaubi eine frühere
Vollendung des Inneren der Kirche um zwei Jahre.
Euerer Königlichen Majestät die Verhältnisse zu Aller-
höchster Berücksichtigung alleruntertänigst vorzulegen,
hielt ich als Architekt für meine Pflicht. »
Man sieht aus diesem Briefe, wie Schinkel nicht nur
verneinend auf die Unzweckmäßigkeit und verhältnis-
mäßige Kostspieligkeit sowie auf die unschöne Wirkung
im Stadtbilde hinweist, sondern mit starker Bejahung
für die Ausführung der Kuppel eintritt. Er benutzt also
den Augenblick, um in dieser Herzensangelegenheit zum
Angriff überzugehen. Der König wird als Einwand
gegen Schinkel wohl weniger auf die Tatsache zurück-
gegriffen haben, daß dieser die «Upsala»- Türme einst
als denkbar oder noch eben tragbar für die Ausführung
ansah, er mußte sich erinnern, daß er ja den Meister
geradezu zu dem Entwurf gezwungen hatte. Aber die
blockartige, abschlußlose Gestaltung des Unterbaus, die
Schinkel von Gilly her vertraut war, eine Nachwirkung
des «revolutionären» Klassizismus, mißfiel dem Herr-
scher durchaus, wenn er sich auch dem Gewicht der
Gründe in bezug auf die Wirkung im Stadtbilde nicht
entziehen konnte.
Zur endgültigen Entscheidung der Sache wandte sich
Schinkel am 11. Februar 1833 an Albrecht:
«Nach Euerer Hochwohlgeboren mir zuleizi gemachten
Mitteilung der Allerhöchsten Äußerungen Seiner Majestät
scheint mir, daß Seine Majestät im wesentlichen wünschen:
das Gebäude möchte nicht bloß mit dem Gesimskranze endi-
gen, sondern daß eine Krönung eintrete, die den Schluß des
Gebäudes mehr charakterisiere, ohne deshalb einen großen
Bau zu veranlassen. Hiernach habe ich auf einem neuen
Blatte, welches oberhalb über die Fassadenzeichnung gelegt
ist, versucht, eine mehr pyramidale Endigung durch
mäßige Erhöhung der Mitie zu erlangen, in der Art, wie
es vielfach im Altertum vorkommt. Diese Erhöhung wird
rund und schließt sich also der quadratischen Grundform
des Gebäudes überall gleichmäßig an, bleibt auch im Stil
der unteren Architektur des Gebäudes. »
Unwillkürlich wird man bei dieser Planung des
Meisters an jene zylindrische Ummantelung der Kuppel
auf Gillys Plan von 1796 für die Nikolaikirche erinnert.
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