DIE ST. NIKOLAIKIRCHE
EINWEIHUNG UND DIE FRAGE DER AKUSTIK HERBST 1837
Die ursprünglich für den 3. September 1837 geplante
Einweihung der Kirche mußte auf Wunsch des Königs
Der Alte Markt
war inzwischen neu gepflastert worden, und der König
bis zum 17. d. M. verschoben werden.
ließ später, bald nach der Einweihung der Kirche, an
Stelle der alten Laternen auf Holzpfosten drei neue auf-
stellen. Sie hatten früher auf dem Platze vor dem Ber-
liner Schauspielhause gestanden, besaßen einen Unter-
satz von Granit und darauf ein eisernes Gestell mit
hängender Laterne. Den Ankauf besorgte der Magistrat
für 247 Taler.
Am 14. September, drei Tage vor der festgesetzten
Einweihung, schrieb Schinkel an Persius:
«Ich danke Ihnen verbindlichst für die Mitteilung wegen
der Einweihung unserer Kirche, bei der ich nicht fehlen
werde ... Die Stunde, wann ich mich zur Feier einfinden
muß, wird mir wohl durch die Einladung des Magistrats
angedeutet werden; denn ich habe eine Berechnung anzu-
stellen, weil ich in Uniform erscheinen muß, diese aber
auf der Reise nicht tragen kann und also an einem Orte in
Potsdam meine Toilette zu machen gezwungen bin, worüber
einige Zeit verloren geht. Könnte der Ort bei Ihnen sein,
so führe ich gleich bei Ihnen vor und bäte Sie dann, einen
Wagen aus Potsdam zu bestellen, der mich von Ihnen zur
Kirche führe, damit ich nicht mit Staub auf Stiefeln und
Uniform dort einzutreten brauche. Sie könnten dann mit
mir fahren und für die Damen ließe sich ebenfalls eine
solche Gelegenheit des Fahrens Jinden; denn Ihre liebe Frau
wird doch auch dabei sein. Sehr glücklich bin ich, mit dem
Zeremoniell gar nicht persönlich verwickelt zu sein; mein
Platz wird vom Magistrate gewiß so gewählt sein, daß er
zu keiner Belästigung der hohen Herrschaften Veran-
lassung gibt.»
Doch es gab eine Enttäuschung in dieser Beziehung,
die Schinkels Brief vom 16. September trotz seiner
äußeren Fassung erkennen läßt:
«Es tut mir und meiner Familie unendlich leid, daß
wir Sie und Ihre liebe Familie morgen nicht sehen werden.
Die mir von Ihnen angekündigte Einladung des hoch-
löblichen Magistrats an mich ist nicht eingegangen und
ohne diese begreifen Sie wohl, daß ich nicht zum Fesie der
Einweihung erscheinen kann. An dieser Feierlichkeit liegt
mir auch ungleich weniger als an dem Vergnügen, mit
meiner Familie in der Gesellschaft der Ihrigen zu sein.»
Unbegreiflicherweise war also die Einladung für den
leitenden Architekten des Baus nicht in seine Hände ge-
langt, obwohl Schinkel auf der amtlichen Liste des
Magistrats mit einem Ehrenplatze und sechs Plätzen für
seine Familie bedacht war. Da an ein Versehen der
Dienststelle des Magistrats kaum zu denken ist, so muß
der Fehler bei der Zustellung durch die Post gelegen
haben. Die Einweihung ging also ohne den Meister des
Baus vor sich, der durch seine Abwesenheit einer noch
schwereren Enttäuschung entging.
Über die Feier berichtet Bischof Eylert: «Der König
wurde mit Ehrfurcht empfangen, mit ihm nahmen den
Hauptchor (vielmehr die westliche Empore gegenüber
der Kanzel) ein alle Mitglieder des Königlichen Hauses
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und ihre zahlreichen Gefolge; dann strömte die harrende
Volksmenge ein, so daß nicht alle, welche wollten, einen
Platz zum Sitzen oder Stehen mehr finden konnten. Die
große Kirche war überfüllt. Alles war still und feierlich.
Von der schönen Orgel, dem gut eingeübten liturgischen
Sängerchor, von dem Gesange der Gemeinde hatte man
sich eine volle harmonische Wirkung versprochen; aber
man sah sich in seiner Erwartung getäuscht, der Ein-
druck war schwach und dumpf, es fehlte an aller Reso-
nanz und dem Zusammenhang der Töne. « Das ist ja,»
hörte man den König sagen, «in einer ganz gewöhn-
lichen Dorfkirche besser.» Der Generalsuperintendent
D. Neander trat auf und hielt (vor dem Altar) die fest-
liche Einweihungsrede, aber man verstand die laut ge-
sprochene Rede nicht, die Stimme drang nicht durch,
sie erging sich in wunderlichen Tönen und verlor allen
Wohllaut, vorzüglich das ihr eigentümlich Schmelzende.
Gleiche Bewandtnis hatte es mit dem Oberprediger und
Superintendenten Ebert; auch ihn verstand man nicht,
wiewohl er die bekannte Liturgie langsam und feierlich
in einem kirchlichen Tone las. Es war, als wenn böse
neckende Dämonen oben, in der Mitte und zwischen den
Säulen der Kirche schwirrten und jeden guten Eindruck
zerstörten. Man sah sich bedenklich an und schüttelte
die Köpfe. Unwillig und verdrießlich verließ man die
neue Kirche, die man voll andächtiger Erwartung be-
treten hatte; sie war eingeweiht, aber ihr fehlte die
wahre Weihe, das Sursum corda — das Heilige und Er-
hebende. Nie hat man den König, der sonst ein ruhiger,
gemäßigter Herr war, verdrießlicher und verstimmter
gesehen als bei dieser Gelegenheit. «Da haben wir, »
sagte er, « die ganze saubere Geschichte! Unerhört! Ich
habe den Kirchenbau mit Teilnahme betrieben, habe ge-
prüft, gewählt, verglichen, mit Sachkundigen überlegt
und freute mich, die Wünsche der Bürgerschaft zu er-
füllen. Habe es mir viel kosten lassen und niemals lieber
gegeben; mit Vergnügen habe ich aus meinem Fenster
den Bau angesehen, und man versicherte mir, alles sei
gut! — Das war eine Herrlichkeit! Und nun, da alles
fertig geworden ist, ist alles verdorben, so daß man kein
Wort verstanden hat. Verdrießlich! Habe es aber schon
oft erlebt, daß ich die Düpe von der Affäre bin. »
Allerdings hatteman dem König den allerungünstigsten
Platz auf der westlichen Empore gegeben. Der Oberprä-
sident von Bassewitz war mit dem Magistrat einig ge-
worden, vor den ersten Bänken unterhalb der Altar-
stufen Stühle stellen zu lassen, da die ganze feierliche
Der
König gab aber am Vorabend der Feier den Befehl, ihm
Handlung vom Altar aus vor sich gehen sollte.
einen Platz auf der Empore vorzubehalten.
Über die Beanstandungen betreffs der Akustik hörte
Schinkel Genaueres zuerst am 26. September durch Per-
sius. Dieser schrieb: « Dem hiesigen Publikum macht der
Schall in der Kirche viel zu schaffen, der namentlich,
wenn der Geistliche vorm Altar spricht, so stark ist, daß
man wenig von der Rede vernimmt. Am Tage der Ein-
weihung, wo der ganze Gottesdienst an dieser Stelle ab-
gehalten wurde, war dies allerdings ein Übelstand, der