Full text: Potsdam ([Band 1])

DIE ST. NIKOLAIKIRCHE 
wendet, und er habe nicht unterlassen, Allerhöchstdem- 
selben den Gegenstand nach seinem besten Wissen und 
seiner wahren Überzeugung vorzutragen. Seine Majestät 
haben darauf mit vieler Ruhe erwidert, wie Ihm dies ange- 
nehm sei zu vernehmen, wie er jedoch nicht umhin könne 
zu sagen, wie er recht gut wisse, daß bei der Sache derriere 
pensees obgewaltet hätten. Sein Sohn habe den Wunsch 
gehabt, daß eine Kuppel ausgeführt werden möchte oder 
daß dies künftig geschehen könne, und so sei man denn 
darauf eingegangen, und nun sei es sehr natürlich, daß bei 
der Nichtausführung der Kuppel hätten Mängel entstehen 
müssen. Herr Bischof Eylert versicherte, daß ihn diese 
Äußerung des Königs sehr erschreckt habe und daß er 
um vieles wünsche, dieses Geheimnis nicht erfahren zu 
haben. Er teilte mir dasselbe auch nur unter dem Siegel 
der Verschwiegenheit mit und wünschte, daß ich gegen 
Sie dasselbe nicht erwähnen möchte. Dazu glaube ich 
aber im Gegenteil verpflichtet zu sein, um so mehr, da 
Ihnen diese Äußerung des Königs nicht so schreckhaft 
erscheinen wird, und da Sie gerade dadurch in der Sache 
nach ihrer höheren und edleren Richtung die erfreulichste 
Genugtuung erhalten. Auch tadeln Sie mich wohl nicht, 
wenn ich wie stets auch in dieser Angelegenheit offen 
gegen Sie bin. Zugleich habe ich Ihnen anzuzeigen, wie 
mir Herr Kabinettsrat Müller gesagt hat, daß Seine Ma- 
jestät der König an die Stelle der eichenen Laternen- 
pfähle um die Kirche eiserne Laternenträger, wie solche 
ehemals auf dem Platze um das Schauspielhaus in Berlin 
gestanden, gesetzt haben will. Herr Kabinettsrat Müller 
will sich zuvörderst erkundigen, ob diese Laternenträger 
bei der Bau-Kommission in Berlin noch vorhanden sind 
und mir dann ferner Auftrag geben. » 
Wie Persius in Erfüllung edler Freundespflicht in sei- 
nem Brief vom 26. September Schinkel mit dem Hin- 
weis auf die Wünsche des Kronprinzen für die Bevorzu- 
gung des quadratischen Unterbaus vor dem Langhaus 
zu trösten versucht hatte, so tut er es hier durch den 
« Verrat» des Eylertschen « Geheimnisses». Und er tat 
recht damit. Der überängstliche Hofbischof hatte aus 
den «derriere pensees», die der König sehr wohl be- 
merkt haben mußte, nämlich den Kuppelbauplan seines 
Sohnes, herausgehört, daß ein versteckter Groll in der 
Seele des Herrschers liege. Das Wort von den « Hinter- 
gedanken » war aber durchaus nicht in grollendem Sinne 
gemeint. Friedrich Wilhelm III. hatte zwar im ersten 
Unmut verlauten lassen, sein Langhausplan sei gegen- 
über der quadratischen Lösung doch besser gewesen, 
aber als praktischer und im Grunde vernünftiger Mann 
war er zu einer ruhigeren Auffassung der Sache gelangt. 
Das Wort von den Hintergedanken richtete sich gar 
nicht gegen dunkle Pläne Schinkels, sondern gegen die 
Absichten seines Sohnes und auch nicht in feindseligem, 
sondern im versöhnlichen Sinne. Schinkel war dadurch, 
wie Persius ganz richtig betonte, entlastet. War einmal 
der Quadratbau, schließlich doch mit königlicher Zu- 
stimmung, angenommen worden, dann mußte bei voll- 
ständiger Ausführung der hohen Kuppel die Akustik 
besser sein als bei einer vorläufigen flachen Eindeckung. 
Mit dem Aufsetzen der hohen Kuppel ist dann später 
auch eine wesentliche, wenn auch nicht vollständige, 
Besserung eingetreten. 
Am 23. Oktober, dem Tage, an dem Persius seinen 
großen Bericht verfaßte, hatte er eine Unterredung mit 
dem Bürgermeister Stöpel. Dieser schlug nach der Be- 
ratung folgende Maßnahmen vor, die mit Schinkels Gut- 
achten übereinstimmen, aber etwas anders formuliert 
sind: 1) die Kanzel muß inwendig mit Tuch beschlagen 
werden und der Fußboden so hoch ausgepolstert 
werden, daß der Prediger keiner (Fuß)-Bank bedarf 
(so Schinkels persönliche Angabe Stöpel gegenüber am 
12. Oktober). 2) Um die Kanzel herum in einem Raum 
von 6 bis 10 Fuß Tuchbelag des Fußbodens, ebenso um 
die Stelle des Altars, die der Prediger bei Vorträgen ein- 
nimmt. 3) Die flache Kuppel muß bis auf einen Umkreis 
von einigen Fuß ausgeschnitten und um 6 Zoll erhöht 
werden, so daß durch den hierdurch entstehenden 
Zwischenraum die Schallwellen dringen können. 4) In 
den großen Seitenfenstern sind zwei Schubfenster anzu- 
bringen, wodurch eine dreifache Luftströmung entsteht, 
welche die Schallwellen brechen würde. Am 11. Dezem- 
ber reichte Persius der Regierung in Potsdam eine Ab- 
schrift des Gutachtens Schinkels vom 17. Oktober ein. 
Nachdem dies dem Könige vorgetragen worden sei, 
habe dieser, wie der Kabinettsrat Müller mündlich be- 
richtete, zugestimmt und angeordnet, daß die ent- 
stehenden Mehrkosten auf die Schatulle zu übernehmen 
seien. Die Änderungen wurden nach dem Plane noch 
im November und Dezember 1837 ausgeführt. 
Aus einem späteren Brief von Persius an Schinkel 
geht hervor, daß eine Besserung einigermaßen einge- 
treten sein muß. Er schreibt seinem Meister im Tone der 
Tröstung am 11. September 1838: «Von der hiesigen 
Kirche weiß ich Ihnen nur zu berichten, daß man nach 
der Aussage des Zelotenpriesters jeden Sonntag besser 
hört, da nach seiner Behauptung der Staub die resonie- 
renden Flächen zum Schweigen bringt. Auch das Publi- 
kum hat sich daran gewöhnt und schweigt über das 
Hören.» 
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