BÜRGERBAUTEN
BÜRGERBAUTEN
Die Innenstadt Potsdam wird im wesentlichen durch
die Bauten Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs des
Die erste Neustadt Friedrich Wil-
helms (1722—28) zeigt ebenso wie der vorhergehende
Umbau der Altstadt (1715—20) fast durchgängig den
Typus des zwei-, unter Umständen dreigeschossigen
Bürgerhauses mit dem Mansarddach, Häuser, die in
manchen Fällen als Reihenhäuser nebeneinander gesetzt
sind, so daß sie einen Block bildeten. Am Alten Markt,
in der Schloß-, Mammon-, Breiten, Lindenstraße und
am Kanal sind derartige Hausformen trotz der zahl-
reichen Neubauten der Zeit Friedrichs des Großen er-
halten geblieben.
Großen bestimmt.
In der zweiten Neustadt trifft man
dann auf die von den Niederlanden her bestimmte
Art des zweistöckigen Hauses mit Zwerchhaus oder
Giebelstube; eine Besonderheit bilden die Häuser des
Holländischen Viertels und die beiden großen massiven
Gebäude mit Mansarddach, das Kommandantenhaus
(jetzt Amtsgericht) in der Lindenstraße in rotem
Backstein und die große Stadtschule (jetzt Gemeinde-
schule V) mit verputzter Fassade in der Nauener Straße.
Nur einzelne Häuser der Stadt Friedrich Wilhelms I.
waren steingemauerte Bauten oder hatten gemauerte
Vorderseiten. Die große Mehrzahl der Bauten zwischen
1722 und 1738 ist Fachwerk, abgesehen von den
1738—40 geschaffenen holländischen Häusern.
Die Grundform für das Potsdamer Bürgerhaus ist
die Schauseite von fünf Achsen, die sich in einzelnen
Fällen auf sieben, neun und mehr Achsen, immer in
ungerader Zahl, erweitert. Für den Hauptstock ergibt
sich dadurch das Eintritts-
zimmer, zu dem die Haustreppe emporleitet. Diese
Grundform bleibt auch für die Bauten Friedrichs
des Großen maßgebend. Unter diesem König beginnt
dann der Neubau der Alt- und der ersten Neustadt bis
Die Häuser haben
durchweg festes Mauerwerk und sind mit großwirkenden
überall anzutreffende
zum. Zuge der Charlottenstraße.
Schauseiten versehen, sie wurden den Bürgern frei
geschenkt mit der Maßgabe, daß diese sie in baulichen
Würden zu halten hätten.
betonen, daß die Bauten zur größeren Feuersicherheit
Die Schenkungsurkunden
und zur Zierde der Stadt ausgeführt worden seien. In
Potsdam befand sich ein eigenes Königliches Baukontor
und eine Immediat-Baukasse. Statt dieser Einrichtung
schuf dann Friedrich Wilhelm II. das Potsdamer Hof-
bauamt. Dies unterstand dem Berliner Oberhofbau-
amt, das wieder die Oberhofbauintendantur über sich
hatte. Durch Knobelsdorff, Gontard und beider
Schüler entwickelte sich eine selbständige Art des
Potsdamer Barockbürgerhauses von zwei und drei
Geschoß Höhe. Die erstere Form herrscht in den Außen-
bezirken und Nebenstraßen, die zweite größere an
Straßenecken, Plätzen, in der Nähe des Schlosses und
in der Breiten Straße.
Als König Friedrich 1786 starb, war die erste Neustadt,
so wie er sie sehen wollte, fertig; in der zweiten hatte
man in der Jäger- und Schockstraße im südlichen Teil
begonnen, die Randbauten an der Kaiser- Wilhelm- und
Hohenzollernstraße bereits beendet, weil die an der
Stadtmauer zum Brandenburger Tor fahrenden Fremden
schon prächtige Häuser sehen sollten. Das gleiche war
der Fall mit den in letzten Jahren Friedrichs geschaffe-
nen Bauten des Fischerviertels nördlich der Heiligen-
geistkirche bis zum Kanal, dessen Häuser vom Wasser
her über der Stadtmauer von 1722 sichtbar waren. Als
Besonderheiten haben einige von König Friedrich selbst
bestimmte Musterbauten, die als Brenn- und Blick-
punkte und als Vorbilder in ihren Maßverhältnissen
Muster
waren in fünf Fällen Palladio, in je einem Fuga, San-
dienen sollten, zu gelten. Die italienischen
michele, Bramante, Fontana und Rainaldi; die engli-
schen Klassiker sind mit Inigo Jones und Lord Bur-
lington vertreten. Die Gebäude erfuhren in der Mehrzahl
der Fälle freie Umgestaltungen und Anpassung an
Potsdamer Verhältnisse. Im ganzen handelt es sich
unter den etwa 600 neuerrichteten Häusern nur um zwölf
solcher «klassischen » Musterstücke, die man als Eigen-
willigkeit eines großen Mannes in Kauf zu nehmen hat.
Hätte Friedrich der Große länger gelebt und seinem
Volke den Frieden erhalten, so wäre in weiteren zehn
bis fünfzehn Jahren auch die zweite Neustadt fertig ge-
worden, nun aber mußte das begonnene Werk Bruch-
stück bleiben, und man sieht in der zweiten Neustadt
noch heute die Siedlungshäuser Friedrich Wilhelms I.,
die dieser für die Quartierwirte der Großen Garde ge-
schaffen hatte. Friedrich Wilhelm II. war nicht in der
Lage, den prachtvollen Ausbau Potsdams im Sinne des
Großen Königs fortzusetzen. Es kamen zu seiner und
dann auch zu seines Sohnes Zeit nur jährliche Einzel-
bauten zustande und zwar in ganz erheblich geringerer
Zahl als unter Friedrich. Immerhin wurden für Groß-
bauten, Schauspielhaus, Kutschstall, Neue Hauptwache,
beträchtliche Summen ausgegeben; doch für weiteres
waren die Überschüsse, wie sie der alte König für seine
Bauzwecke verwandt hatte,nicht mehr in ausreichendem
Maße vorhanden. Es war das zum großen Teile eine Folge
der Kriege von 1787, 1792 bis 95, aber auch große Un-
glücksfälle, wie der Brand der Nikolaikirche 1795, der eine
Anzahl großer Häuser am Markt in Asche legte, und das
Absinken der Gebäude an der Ostseite des Wilhelm-
platzes, ebenfalls 1795, machten bedeutende Summen
für Wiederherstellungsarbeiten erforderlich. Das Kriegs-
jahr 1806 brachte dann den Stillstand aller Bauarbeiten,
und die Hilfsgelder hörten auf zu fließen.
Eine Voraussetzung für die Möglichkeit ohne An-
greifen der königlichen Schatulle oder des Dispositions-
fonds bequem erhebliche Mittel bereitzustellen, lag in
der Schaffung eines Immediatbaufonds.
Nach den Freiheitskriegen seit 1816 bewilligte näm-
lich Friedrich Wilhelm III. von Jahr zu Jahr eine ge-
wisse nach dem angemeldeten Bedarf bemessene Summe
zur Unterstützung von Privatbauten in Potsdam, und
zwar zum Teil zur Erhaltung der auf königliche Kosten
erbauten repräsentativen, zum Teil zur Erneuerung
älterer einfacher Häuser und zu Neubauten in den Vor-
69