Vorwort zur 1. Auflage (gekürzt).
Als vor zwei Jahren Herr Dr. Th. Steinkopff mir den Vorschlag machte,
die preisgekrönte Arbeit „Unsere Lebensmittel“ von Roland mit einer
Einführung von Geheimrat Paul neu zu bearbeiten, war es sofort klar, daß
eine völlig neue Darstellung gefunden werden müsse. Vieles, stellenweise ganze
Kapitel, waren veraltet. Denn seit 1916 ist nicht nur neue Forschungsarbeit
geleistet worden, sondern auch unsere Ernährung hat sich umgestellt. In-
dustrialisierung, Urbanisierung und Rationalisierung, neue Fabrikationsmetho-
den und neue Maschinen unterwarfen viele unserer Lebensmittel früher nicht
gekannten ‚Veredelungen‘“ oder gar Umwandlungen.
Wohl ist der Gedanke des 1916 ausgeschriebenen Wettbewerbes der alte
geblieben: unter Betrachtung der chemisch-physikalischen und biologischen
Momente ‚Anleitung zu geben zur Aufbewahrung von Lebens- und Genuß-
mitteln, um die beträchtliche Vermögenswerte repräsentierenden Verluste,
welche infolge Qualitätsverschlechterung und Verderbnis schlecht aufbewahr-
ter Lebensmittel alljährlich entstehen, zu verhüten oder doch möglichst ein-
zuschränken.“
Heute, 15 Jahre nach dem Hungerjahr 1916, leben wir in einer ähnlich
kritischen Zeit.
Unter Erweiterung aber des ursprünglichen Gedankens wurde versucht,
eine Darstellung der Lehre von der Kochwissenschaft (Bromatik) zu
geben, die uns bis heute fehlt. Damit war gleichzeitig Gelegenheit ge-
geben, meine und meiner Mitarbeiterinnen experimentellen Arbeiten!) der
letzten Jahre zusammenzufassen. Für die Forschung ist es schmerzlich,
daß immer neue Spezialgebiete und Grenzgebiete geschaffen werden, welche
die Naturwissenschaften und Medizin mehr und mehr zersplittern. Tatsäch-
lich stehen wir vor dem betrüblichen Geschehnis, daß wir als Forscher und
Lehrer selbst in unsern engsten Nachbarforschungsgebieten den Einzelheiten
nicht mehr nachgehen können.
Die Kochwissenschaft, das Grenzgebiet so vieler Disziplinen, soll
sich aber nicht abschließen und zu einem neuen Spezialgebiet werden, sondern
gerade die Schranken niederreißen und verbinden zwischen der Physikali-
schen Chemie, der Ernährungsforschung, der Lebensmittelforschung, der
Physiologie, Hygiene und Hauswirtschaft.
Und noch eine dritte Aufgabe soll das Buch erfüllen: Es soll im hauswirt-
schaftlich-naturwissenschaftlichen Unterricht der Akademien, der Fach- und
Frauenschulen, der Diätlehrküchen an Krankenanstalten und Kliniken, in
den Lehrgängen der Wehrmacht- und Gemeinschaftsverpflegung sowie in
Institutskursen die Verbindung herstellen zwischen theoretischen Belehrungen
und praktischer Anwendung.
Das neue Buch, das vom alten Rolandschen Buch kaum etwas, weder in der
Anlage noch im Text, übernommen hat, konnte nur dadurch entstehen, daß
Herr Dr. Th. Steinkopff und sein Haus in seiner bekannten großzügigen
Weise in allen Fragen der Umgestaltung und Ausstattung des neuen Werkes
mir entgegenkam. Dafür sei ihm gedankt.
Berlin, den 5. Oktober 1932.
Der Verfasser.
!) Siehe auch die von ihnen ausgearbeiteten Versuche Seite 338.