Full text: Unsere Lebensmittel und ihre Veränderungen

  
18 Veränderungen unserer Nahrungs- und Genußmittel durch Wärme. 
  
2. Versuch an: Wasser wird durch eine Pergamenthaut filtriert und gekocht; in 
einem zweiten Gefäß erhitze man Wasser mit Staub und beobachte, wo zuerst die 
Blasenbildung einsetzt. 
Auch Gefäße mit glatten Wänden zeigen eine später einsetzende Blasen- 
bildung als Gefäße mit rauhen Wänden. Flüssigkeiten können sogar die Wände 
glatt machen und so die eintretende Blasenbildung verzögern, z.B. Seifenlaugen 
oder andere Laugen. Darauf gründet sich der nächste 
3. Versuch: Koche destilliertes Wasser, daneben Laugen. Beobachtung der ein- 
setzenden Blasenbildung. Siedeverzug tritt selbst dann ein, wenn keine Gase im 
Wasser vorhanden sind, denn diese sind ‚„Keimzellen‘‘ zur Blasenbildung, ‚Gas- 
keime‘‘, die kleinste Bläschen darstellen. 
Auf diesem Phänomen beruht auch die praktische Anwendung der ‚‚Siede- 
erleichterer‘‘. Jeder Körper, der aus durchlässigen Substanzen, am besten ‚,‚po- 
rösem‘‘ Material besteht, ist ein Siedeerleichterer, bei dem die in den Poren an- 
wesende Luft entweicht. Man stelle den folgenden 
4. Versuch an: Man siede in einem Gefäß destilliertes oder Trinkwasser, in einem 
zweiten Gefäß ebenfalls Wasser, das aber leichter sieden wird, da auf dem Gefäß- 
boden ‚‚Siedesteinchen‘ in Gestalt von Blumentopfscherben oder anderen porösen 
Steinchen liegen. Solche ‚„Gaskeime‘‘ erhält man auch durch Anwendung von 
„Siedekapillaren‘‘: es sind dies auf einer Seite zugeschmolzene Glasröhren, die mit 
dem offenen Ende nach unten in die Flüssigkeit führen und dann dauernd kleine 
Luftbläschen als Gaskeime frei werden lassen. 
Solche Siedeerleichterer verhüten namentlich beim ‚‚chemischen Kochen“ 
erhöhte Überhitzung, die leicht zu plötzlich freiwerdenden großen Dampt- 
ansammlungen führen kann. 
Bei Verfolgung dieser Grundphänomene stoßen wir in der Küche auf ver- 
schiedene bekannte Erscheinungen, die jetzt leicht ihre Erklärung finden: 
Es entstehen leicht Überhitzungen am Boden der Koch- 
gefäße: Reis, Leim, Gelatine, alle Stärkearten setzen sich 
außerordentlich leicht an, vor allem erleiden sie dann 
„Bodenüberhitzung‘, wenn sie in „Lösung“ sind. Durch die Überhitzung infolge 
Siedeverzuges lösen sich die Gaskeime und Gasblasen nur langsam ab. Dadurch 
kommt es zum ‚„Anbrennen‘. Die Hausfrau hilft sich durch ständiges Rühren, 
der Chemiker setzt Alkohol zu, um die Schaumbildung zu verhindern oder ein- 
zuschränken. Auf die Gaskeime ist bekanntlich auch die Hautbildung der Milch 
zurückzuführen: die Häutchenbildung setzt ein mit einem Einschluß der sich 
an den Wandungen ansetzenden Gasbläschen in ganz dünnen „Hautbeutel- 
chen“. Diese Hautbeutelchen sind uns auch bekannt als die feinen ‚‚Pustel- 
chen“, die sich nach dem Ausgießen der Milch auf dem Boden des Gefäßes 
abgesetzt haben. Die Vorgänge setzen schon bei etwa 40°C ein. In sehr stark 
verdünnter Milch wird das ganze Phänomen stark verzögert. 
Überhitzung führt auch leicht zur Bildung großer Dampfansammlungen, die 
unter Stoßen plötzlich frei werden können. Die Wirksamkeit solcher Boden- 
körper bringt beispielsweise bei Glas den Boden oder die Wände des Gefäßes 
zum Springen; bedecken feinste Körperchen als Schicht die Wände oder den 
Boden, so kommt die Flüssigkeit wenig an Gefäßwände und -böden heran; auf 
diese Weise wird ihre Substanz mehr erhitzt als die Flüssigkeit, und wenn es 
dieser oder dem durch eine Gasblase abgehobenen Bodenkörper gelingt, den 
Boden oder die Wand zu berühren, so springt das Gefäß. 
Aufkochen ist ein kurzes Sieden. Höhere Temperaturen entstehen, wenn 
man in verschlossenen Gefäßen sieden läßt (Dampfdruck!). 
Auskochen ist komplizierter: es ist ein Sieden bis zum Zeitpunkt der Ent- 
fernung von Gasen oder flüchtigen Stoffen. Der Zeitpunkt der „Gasfreiheit“ 
Bodenüberhitzung in 
Kochgefäßen. 
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