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Adel 199
eine Neubelebung des Standes zu verſuchen. Jn Schleſien entſtand die Adelsreunion mit
einem weitläufigen Programm und Statut, welches zwar ſcheinbar eine Reform: des A. im
zeitgeinäßern Sinne anſtrebte, auch einzelne vernünftige Vorſchläge in diefer Richtung enthielt,
ganz vorwiegend jedoc) darauf ausging, den A, in die ihm verloren gegangene rechtliche und
ſociale Ausnahmeſtellung wieder einzufegen. Das Programm erklärt: ein Ständeunterfchied
fei Naturgefeg und werde es bleiben. Es «beklagt lebhaft, daß dem der Krone nächſten Stande,
dem A., in dieſem Jahrhundert geiſtige und irdiſche Güter nicht in dem Gleichgewicht zu Ge-
bote ſtehen als den beiden folgenden Klaſſen des Volks». Es ſei «nur ein Feſthalten an den
Grundſätzen des ewigen, unwandelbaren Rechts, wenn der A. eine zeitgemäße Wiedererhebung
in die ihm durch das Geſey bezeichnete, nur im Drange der Zeit entfremdete Stellung hoffe».
Das Programm ſchlägt vor: Herſtellung des Nechts der Erſtgeburt in ſeiner Anwendung auf
das Grundeigenthum, jedoch niht, wie in England, unter Uebergang der nahgeborenen Söhne
in das Bürgerthum! Vielmehr verlangt man für dieſe «außer den bereits allgemein verfolgten
Berufswegen» den Eintritt in geiſtlihe Würden. Ferner wünſcht man Stiftungen für unver-
ſorgte Töchter des A., Reorganiſation des Malteſerordens u. |. w. Ein weiterer Punkt des
Programms betrifft die « moraliſche Kräftigung des A.» Aber wodur<h? «Durch möglichſt
ſtandesgemäße, auch körperlich tüchtige Jugenderziehung und Vorbereitung zum öffentlichen
polit. Auftreten, womöglic durch Standesgenoffen; durch Förderung ritterlicher Eigenfchaf-
ten; durch Errichtung von Adelsmarichällen und Schöffen mit patriarhalifchen Nechten und
durch Adelschrengerichte.» Endlich will man «eine Wiederbelebung des patriacchalifchen Ber-
hältniſſés zwiſchen Grundadel und Bauernſtand; eine allmählihe Gewöhnung der öffentlichen
Meinung an das beſtimmtere Hervortreten des A. an die Spite der Nation (unter anderm
durch Kitdficht auf ein achtbares adeliches Auftreten bei öffentlichen Gelegenheiten, Jagden,
Wettrennen, durch entſprechende Einwirkung auf die äußern Sinne des Volks, Kleidung, Pferde,
Waffen, Dienergefolge, burgartige Wohnung); Verbeſſerung des materiellen Wohlſtandes des
A. (unter anderm durch Verbindung des A. mit wohlhabenden Töchtern des Bürgerſtandes)».
Es entſtand damals auch eine beſondere «Adelszeitung» (redigirt von Herrn von Alvensleben)
zur Bertheidigung folder und ähnlicher Ideen. Vor dem Sturme von 1848 beugte das
Junkerthum muth=- und widerſtandslos das Haupt und flüchtete ſih in die Verborgenheit.
Aber bei den erſten Anzeichen einer rü>läufigen Strömung in den obern Kreiſen und im
Volke erhob es ſogleich wieder die Stirn mit dem alten Uebermuth und ſuchte die veränderte
Stimmung für ſih und in ſeinem Sinne auszubeuten. Schon im Herbſt 1848 tagte in
Berlin, auf Betrieb und unter Führung des Herrn von Bülow -Cummerow, eine Verſamm-=
lung Adelicher, vom Volke das « Junkerparlament », von ihr ſelbſt euphemiſtiſh «Verein zum
Schute des Eigenthums » genannt. Jn der ſeit 1850 beginnenden Periode einer ſich über-
ſtürzenden Reaction war das Zunkerthum beſonders thätig, nicht blos feine durch die Be-
wegung des I. 1848 erſchütterte Stellung wieder zu befeſtigen, ſondern womöglich ihr eine
noch breitere Baſis als vorher zu geben. Es wußte geſchickt ſeine particularen Intereſſen mit
denen einer ſogenannten «conſervativen Staatsordnung» als gleichbedeutend zu vermiſchen, in=
dem es als allein wirkſames Mittel zur Sicherung dieſer letztern die Ansrottung aller Ein-
richtungen und Ideen des I. 1848 mit Stumpf und Stil, ja womöglih auh der frühern
liberalen Reformen (3. B. der Stein-Hardenberg’fchen Gef eggebung in Preußen) und die einfache
Rückkehr zu der «alten guten Zeit», d. h. zum Feudalismus, predigte. In dieſem Geiſte ſprach
und handelte dieſe Partei ſowol in den Kammern als in den ſpeciell für ſolhe Zwee gegrün-
deten Organen der Tagespreſſe, der «Neuen Preuß. Zeitung» (Kreuzzeitung) in Preußen, der
«Freimüthigen Sachſenzeitung» in Sachſen, dem « Norddeutſchen Correſpondenten» in Meeflen-
burg u. a. m. Auch mehrere ſelbſtändige Schriften erſchienen in dieſer Richtung, z. B. «Der
deutſche A. in der Vorzeit, Gegenwart und Zukunft » (2 Bde., Frankf. a. M. 1851) von
Fiſcher (eine Vertheidigung der Anſprüche des A. auf Bevorzugung im Hof-, Civil- und Mi-
litärdienſt, Steuerfreiheit, erimirten Gerichtsftand u. f. m.) ; «Die Zukunft des Deutfchen A.
vom ariſtokratiſch -conſervativen Standpunkt » (Berl. 1851), angeblich vom Grafen Görß
(worin ein patriarchaliſh -hutherrliches Verhältniß des A. über die andern Klaſſen, ein be-
vorzugter Antheil deſſelben an der Landesvertretung und der Localverwaltung beanſprucht, da-
gegen Steuerfreiheit u. dgl. dem «gefräßigen Zeitgeiſt» zum Opfer gebracht werden); die «Briefe
über Staatskunſt» (Berl. 1854), von Victor von Strauß (die in ihren Forderungen ſelbſt noh
zum Theil über die beiden vorgenannten Schriften hinausgehen). Großen Vorſchub leiſteten
diefer Richtung auh Schriften wie die von Riehl, welcher, nah zum Theil ſehr unklaren Ideen