252 Afghaniftan
entſagen mußte. Er ſtarb 1829 bei ſeinem Sohne Kamran in Herat. Mit ihm brach die
Duranimonarchie, die 76 Jahre beſtanden, völlig zuſammen. Das Reich ging nun, mit Aus-
\{luß Herats, in die Hände der Barakſi über, ſodaß in Kabul Doſt Mohammed, in Kandahar
Kohan - Dil, in Piſchawer Sultan Mohammed zur Herrſchaft gelangte. An der Spitze ſtand
der älteſte der drei Brüder, Doſt Mohammed, als der Beſißer von Kabul, des reichſten der drei
Bezirke, mit einem Einkommen von 1,400000 Thlr. und einer Militärmacht von 18000 Mann.
Dennoch follte der Friede das Volk nicht beglü>en. Im Oſten war Doſt Mohammed im
Kampfe mit Lahore; im Weſten wurde Herat von Perſien mit Krieg überzogen. Außerdem
erklärte der brit. Generalgouverneur in Indien, Lord Audland, am 1. Oct. 1838 gegen A.
den Krieg unter dem Vorwande, daß Doſt Mohammed den brit. Alliirten Randſchit=Singh
unrehtmäßig bekämpft, daß die Kriegsplane der afghan. Fürſten feindliche Geſinnung wider
Indien verriethen, und daß Schud-Schah als rechtmäßiger Thronerbe fih Schuß erbeten habe,
Es war dies allles wol richtig, gab aber den Briten immer noch Fein Recht, A. zu bekriegen.
Ein anglo-indiſches Heer brach nun im Febr. 1839 nach A. auf, und gelangte nicht ohne große
Verluſte dur< den Bolanpaß nah Kandahar, wo Schud-Schah (die polit. Puppe der Briten)
von ſeinem Reiche förmlih Beſiß nahm. Am 7. Aug. zog der Schah mit der brit. Haupt-
macht in das verödete Kabul ein, und die Engländer betrachteten ſhon das Land als Lehnsſtaat
des anglo-indiſchen Reichs. Sie hatten hierbei weder die Natur des Landes noch den Charakter
der Afghanen in Betracht gezogen, und wurden datum bald. fchredfich enttäufcht. A. war über
laufen, aber nicht erobert. Doſt Mohammed, in hülfloſer Lage, gab fi) zwar den Engländern
gefangen; aber defto thätiger zeigte ſich ſein ſchlauer Sohn Akbar. Derſelbe ſtellte ſich an die
Spitze einer weitverzweigten Verſhwörung, an die weder, troß aller Anzeichen, der brit. Com-
miſſar Alex. Burnes, noh Macnaghten, der brit. Miniſter am Hofe zu Kabul, glauben mod)-
ten, Am 2. Nov. 1841, mit Beginn des Winters, wo Hülfe von Indien unmöglich, erhob ſich
Kabul und das ganze Land; Burnes, Macnaghten und viele brit. Offiziere wurden ermordet,
Statt nun dem wilden Feinde dur< Anwendung der immer noh beträchtlichen Waffen-
macht Nefpect einzuflögen, fetten die entmuthigten brit, Anführer ihre Nettung in Unterhand-
ſungen und Verträge. Mit den afghan. Häuptlingen, Afbar an der Spitze, war ein Vertrag
zu Stande gekommen, wonach die Briten ganz A. räumen ſollten. Dagegen gewährten die
Häuptlinge ſicheres Geleit und Transport - und Lebensmittel für den Küdzug. Auf Grund
deſſen verließ endlich die brit. Armee nebſt Lagergefolge am 6. Jan. 1842 Kabul, um ſich durch
die Kheiberpäſſe nah Indien zu wenden. Eine ſtrenge Kälte machte die ſchon traurige Lage
noch hoffnungsloſer. Auch blieben das Geleit und die Lieferung von Lebensmitteln aus. Zu-
dem fielen die fanatiſchen Ghildſchis und andere Stämme des Landes nacheinander über den Zug
her und plünderten und mordeten Frauen und Kinder, Bewaſſnete und Unbewaffnete. Das
Gros des brit. Heeres, Truppen wie Lagergefolge, gegen 16000 Köpfe, erlag der Kälte oder
dem Gemetzel der Afghanen. Eine Anzahl Offiziere und mehrere Frauen wurden gerettet, indem
fie fich Akbar freiwillig ergaben. Nur ein einziger Brite von Stande entging dem Tode, um
die Trauerkunde nah dem engl. Hauptquartier zu bringen. Der General Sale, welcher mit
einem ſchwachen Corps Dſchellalabad beſet hielt, konnte nichts unternehmen; auch ſchien die
brit. -indiſhe Regierung unter Lord Ellenborough Feine Neigung zur Abrechnung zu haben.
Doch General Nott zog von dem in brit, Gewalt gebliebenen Kandahar gegen Ghazna, das
er, ohne viel Widerſtand zu finden, 6. Sept. 1842 beſetzte und, ſo blühend es auh war, ver-
nichtete. Nach dem andern Centralpunkte Kabul war indeß General Follo> durch die Kheiber-
päſſe vorgedrungen, um dort mit Nott Mitte Sept. zuſammenzutreffen. Der Zerſtörung auch
dieſes Plates folgte die Zerſtreuung der Haufen Afbar's und die Befreiung der gefangenen
Engländer. A. ſchien zerſtört und desorganifirt genug, ſodaß die brit. Feldherren bereits Mitte
Oct. den raſchen Nüczug antraten, um das Land ſich ſelbſt zu überlaſſen. Man ging im ſieges-
trunkenen Leichtſinn ſo weit, mit den gefangenen Aſghanen ſogar Doſt Mohammed felbft frei-
zulaſſen. Aus Hindoſtan zurükehrend, von der Lage der Verhältniſſe daſelbſt gut unterrichtet,
ließ fi Doſt Mohammed gern in Kabul als Retter der Stammehre mit Jubel empfangen,
und begann ſeine Herrſchaft zu befeſtigen. Schon 1846 benußte er die Gelegenheit, gegen
England zu operiven. Ex ging ein Bündniß mit den Sikhs (f. d.) ein. Doc) vernichtete die
Schlacht vom 21. Febr. 1849 die Macht ſeiner Bundesgenoſſen und ſeine eigenen Hoffnungen,
ſodaß er entmuthigt mit 16000 ſeiner Krieger über den Indus zurückfloh. Merlwürdiger-
weiſe unternahm die brit. -indiſhe Regierung nichts Entſcheidendes gegen ihn, und Doſt
Mohammed fand vielmehr Zeit und Ruhe, ſein eigenes Reich zu vergrößern und zu befeſtigen.
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