Aegypten (neuere und neueſte Geſchichte) 39
fehr zu ältern, reinern und ſorgfältigern Formen und Anordnungen an, die ſogar zuweilen von
einer gewiſſen geſuchten Eleganz nicht freizuſprehen ſind. Selbſt der feſtgeſtellte Kanon der
Körperproportionen erleidet eine weſentlihe Aenderung gegen den frühern.
Doch auch dieſer Aufſhwung wird bald wieder unterbrochen. Nach kaum anderthalb Jahr-
hunderten erliegt das Reich dem erſten Andrange der perſ. Macht. 525 v. Chr. wird es von
Kambyſes erobert und bleibt 120 I. lang eine perſ. Provinz. Der Nationalhaß beider Völker
macht ſich breite Bahn. Eine allgemeine Zerſtörung der ägypt. Denkmäler foll nad) den Be-
richten der griech. Schriftſteller auf Befehl des Kambyſes erfolgt fein, Sein Nachfolger Darius,
ein weiſer und milder Herrſcher, ſuchte dagegen die Neigung der Aegypter zu gewinnen; er
wird in den ägypt. Annalen ſogar mit unter den großen Örfeisgebern des Landes aufgeführt.
A. blieb bis 405 v. Chr. den Perſern unterworfen, erhielt dann für 65 3. nod) einmal feine
Unabhängigkeit unter der 29. und 30. Dynaſtie des Manethôs und wurde 340 v. Chr. zum
zweiten mal von den Perſern unter Ochus erobert. Acht Jahre ſpäter, 332 v. Chr., im Herbſte,
fiel es an Alexander d. Gr. und blieb bis 305 unter macedon. Herrſchaft. Ptolemäus, des
Lagus Sohn, der ſchon ſeit Alexander's Tode im Namen des Philippus Aridäus und Alexan-
dev II. die Regierung des Landes führte, nahm in dieſem Jahre den Königstitel an. Dennoch
iſt er auf den ägypt. Monumenten ſeiner Zeit bisher noh nirgends als König erſchienen, und
in der Regel beginnen die ägypt. Ptolemäerliſten auf den einheimiſchen Denkmälern erſt mit
Ptolemäus Philadelphus, der ſhon zwei Jahre vor dem Tode ſeines Vaters, 285 v, Chr., die
Regierung übernahm. Die Zeit der griech. Herrſchaft iſt für alles ägypt, Nationale eine Zeit
raſchen Verfalls. Die Uebermacht und jugendliche Friſche des griech. Geiftes affimilirt fi
Ipnell die aufgeſpeicherten Früchte der Jahrtauſende alten ägypt. Bildung. Die alten Organe
ſterben ab und werden unbrauhbar. Auf dem ägypt. Boden ſelbſt tritt der helleniſhe Erbe
des ganzen Orients die reiche ägypt. Erbſchaft an. Alexandrien wird der Mittelpunkt griech.
Gelehrſamkeit und zugleich des höchſten Luxus. Unter den Künſten erhält ſi< no< am fkräf-
tigſten die Architektur. Eine Neihe großartiger Tempel, die von den alten Formen wenig ab-
weichen, in Dendera, Theben, Esneh, Edfu, Ombos, Philä u. |. w. legen davon Zeugniß ab,
während die Sculptur und Zeichnung größtentheils ſchon in Barbarei verfällt. Die greuel-
hafte Sittenverderbniß, die in der Herrfcherfamilie ſelbſt immer mehr um fich griff, trug nicht
wenig zum Verfall des Landes bei und führte endlich auh durch Kleopatra (\. d.) zum Unter-
gange des Staats. Nach der Schlacht bei Actium, 30 v. Chr., ward A. dem röm. Reiche ein-
verleibt. Die Wichtigkeit dieſer neuen und reichen Provinz wurde ſo hoh angeſchlagen, daß
Auguſtus ein Geſet gab, nach welchem kein Römer vom Range eines Conſuls oder ſelbſt eines
Ritters A. betreten durfte ohne die beſondere Erlaubniß des Kaiſers; man glaubte, daß die
Verführung zu nahe liege, ſich dieſer « Kornkammer », dieſer « claustra terrae et maris » zu
bemächtigen, deren Abfall Ztalien ſogleich mit einer Hungersnoth bedrohen konnte.
Schon im 1. Jahrh. n. Chr. wurde das Chriſtenthum nach A. gebracht; als Gründer der
erſten Gemeinde wird dex Evangeliſt Markus angegeben. Eine ascetifche und folitarifche Le-
bensweiſe hatte ſih theilweiſe ſhon unter den ägypt. Prieſtern ausgebildet. Ein förmliches
Mönchsleben führten, nah der Beſchreibung des Philo, die jüd. Therapeuten in der Nähe von
Alexandrien , und derſelben Nichtung folgte dann auch ein großer Theil der ägypt. Chriſten,
ſodaß der Urſprung des ſpäter immer weiter verbreiteten Mönchs - und Einſiedlerlebens recht
eigentlich auf dieſes Land zurückgeführt werden muß, welches fi) durch die Lage der umgeben-
den Wüſten ganz beſonders dazu eignete. Das Chriſtenthum verbreitete ſih raſh und kräftig
in A., und Alexandrien, ſo lange Zeit der Mittelpunkt der griech. Gelehrſamkeit, wurde nun
wieder der Schauplag der heftigften und gelehrteften hriftl.=theol, Kämpfe, Doh laſſen ſich noch
hieroglyphiſche Inſchriften in ägypt. Tempeln bis in die Mitte des 3, Zahrh. nachweiſen, und
in Philä wurde der Îſiscultus erſt um die Mitte des 6. Jahrh. unter Juſtinian aufgehoben.
__ Neuere und neueſte Geſchichte, Bei der Theilung des röm. Reichs 395 n. Chr. fiel
A, dem oſtröm. oder byzant. Reiche zu, deſſen Verfall es theilte, bis 638, zur Zeit des Kaiſers
Heratlius, in deſſen Namen der Kopte Makaukas regierte, die Araber unter Amru, dem Feld-
herrn des Khalifen Omar, das Land eroberten. Die in die Parteien der Kopten oder Zakobiten
und der Griechen oder Melchiten geſpaltene Bevölkerung ſette den Eindringlingen kaum einen
Widerſtand entgegen. Memphis ergab fich fofort, Alexandrien nah langer und hartnädtger
Bertgeidigung. Nım verfchwanden vor dem Islam auch die lezten Spuren der Sitten, Gefete
und Religionsübungen, welthe als Neſte des alten Aegypterthums
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noh übriggeblieben waren,
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