Algerien (Colonie)
ſamkeit und Beharrlichkeit das Syſtem der Militärdespotie und des Seeraubes gründete, das
bis 1830 in A. ſeinen Mittelpunkt hatte. Nachdem er ſehr bald als Kapudan - Paſcha nah
Konſtantinopel berufen worden, ward Haſſan-Aga ſein Nachfolger im Paſchalik. Dem immer
mehr überhandnehmenden Seeraub der Algierer ſuchte Kaiſer Karl V. ein Ende zur machen,
Er unternahm eine große Expedition gegen A. und landete 20. Det. 1541 mit einer Flotte von
370 Segeln und 30000 Mann; allein ein von Erdbeben und Regengüſſen begleiteter fürch-
terliher Sturm zerſtörte 28. Oct. den größten Theil der Flotte und des Lagers. Das Land-
heer mußte ohne Lebensmittel, Obdach und Verſchanzungen mehrere Tage an der feindlichen
Kiiſte lagern und konnte nur mit der äußerſten Anſtrengung ſich der fanatiſchen Moslems er-
wehren. Mit einem Verluſt von 15 Kriegs- und 140 Transportjchiffen und von 8000 Men-
ichen gelang e8 endlich dem Kaifer, am Cap-Matifu ſich wieder einzufchiffen.
Unter den Nachfolgern Haffan’s bietet A. nur wenige merkwürdige Epiſoden. Im Mittel-=
meere führten die Älgierer Naubkrieg mit den chriſtl. Mächten und landeten oft an den ital.
und ſpan. Küſten. Auch zu Lande waren ſie in beſtändigem Kriege mit ihren Nachbarſtaaten.
Sie dehnten ihre Macht weit nah dem Innern aus. Schon vor Ende des 16. Jahrh. hatten
ſich die Paſchas von A. das ganze weſtl. Land bis zur Grenze von Marokko, mit Ausnahme
des den Spaniern verbliebenen Oran, unterworfen. Bougie im O., welches die Spanier 35 I.
beſeſſen, wurde 1554 ebenfalls von den Türken erobert, und im S. dehnten ſie ihr Gebiet bis
an die Wüſte aus. Wiederholte Verſuche der Spanier gegen die weſtl. Provinzen des Raub-
ſtaats fielen durchgehends unglü>lih aus. 1561 wurde ein ganzes ſpan. Heer unter der An-
führung des Grafen de Acaudate bei Moſtaganem vernichtet, wobei 12000 Gefangene in die
Hände der Algierer fielen. So kam es, daß ſih die Raubzüge der legtern immer weiter er-
ſtre>ten, ſogar über die Meerenge von Gibraltar hinaus. 1600 wirkte fich die türk. Jani-
tſcharenmiliz von A. in Konſtantinopel das Recht aus, einen Det aus ihrer Mitte zu erwählen,
der mit dem Paſcha die Gewalt theilen und insbefondere ihr Befehlshaber fein follte. Die
Folge dieſer Doppelgewalt waren häufige innere Kämpfe. Als die Algierer ſelbſt die Küſten
der Provence anfielen, unternahm es Ludwig XIV. dreimal, ſie dafür zu züchtigen. Zuerſt
1682, wo Admiral Duquesne 25. Juli mit 25 Kriegsſchiſfen die Stadt Algier bombardirte,
während der Dei als Antwort den franz. Conſul Vacher aus einem Geſchüß nah der franz.
Flotte ſchießen ließ. Ein zweites Bombardement, das die Franzoſen 28. Juni 1683 mit 23
Schiffen unternahmen, zerſtörte zwar die ganze untere Stadt und befreite die gefangenen
Chriſtenſklaven, hatte aber ebenfalls keine nachhaltigen Folgen, ſodaß ſchon 1687 die franz.
Regierung für nöthig fand, eine neue Flotte gegen den Naubſtaat zu entſenden. Unter den
Befehlen des Marſchalls d'Eſtrées bombardirte dieſelbe 26. Zuni die Stadt Algier und ver-
brannte ſehs Kriegsſ\chiffe des Dei. Obwol die Hälfte der Stadt in Aſche gelegt wurde, half
doch die Züchtigung nichts. Auch der Angriff des engl. Admirals Blake 1655 ſowie 1669
und 1670 das Beſchießen durch eine engl. und holländ. Flotte hatten fein entſchiedenes Reſul-
tat; doh waren die Engländer die erſten Europäer, welche ſeit 1662 mit den Deis von A.
Verträge ſchloſſen. 1708 bemächtigte ſih der Dei Ibrahim Orans, das die Spanier bis dahin
im Beſitz behalten. Sein Nachfolger, Baba-Ali, der, um feine Macht zu befeſtigen , gleich im
erſten Monat ſeiner Regierung 1700 Perſonen morden ließ, führte die Emancipation von der
Herrſchaft der türk. Pforte factiſh dur. Er ſchi>te den türk. Paſcha, der bis dahin die höchſte
Autorität mit dem Dei getheilt , fort und bewog die Pforte, dem Dei die alleinige Gewalt zu
laſſen. Baba-Ali war von dieſer Zeit an ſo gut wie unabhängig; er führte Krieg und \{loß
Frieden nah Belieben und entrichtete der Pforte keinen Tribut mehr.
A. bildete nun eine Art Soldatenrepublik, an deren Spitze der von den Janitſcharen ges
wählte Dei ſtand. Die herrſchende türk. Miliz ergänzte ihren Beſtand dur<h Anwerbungen
aus dem Pöbel von Konſtantinopel und Smyrna. Die innere Geſchichte A.s unter den Deis
bietet außer den häufigen, von den zuchtlofen Janitſcharen ausgeführten blutigen Serailxevo-
lutionen, die nur wenige Deis eines natürlichen Todes ſterben ließen, nichts Bemerkenswerthes.
Die Spanier nahmen 1732 Dran und Mers-el-Kebix wieder und behielten es bis 1791, wo
ſie es dem Dei abtraten. 1775 unternahm Spanien die letzte große Expedition gegen A. Eine
Flotte von 44 Kriegs- und 340 Transportſchiſfen unter Admiral Caſtejon landete 4. Juli mit
25000 Maun Landtruppen unter General O'Reilly. Allein die ſchlechten Maßregeln, die
man hierbei getroffen, ließen das Unternehmen ſcheitern, ſodaß die Spanier ſich genöthigt ſahen,
mit Zuriilaffung von 1800 Verwundeten und ihres ſämmtlichen Geſchützes aufs eiligfte fid)
wieder einzufchiffen. ©o troßte A. fortwährend den <riſtl. Mächten und machte ſich die minder