702 An>arſtröu (Joh. Jak.)
Studien in Genf beendet, 1790 als Prediger bei der franz. Kirche zu Berlin ſeine Laufbahn.
Daneben galten ihm hiftor. und philof. Studien al8 eine Hauptbefchäftigung. 1792 wurde
ex zugleich Profeſſor der Geſchichte an der Militärakademie zu Berlin, dann Mitglied der
Akademie der Wiſſenſchaften und fünigl. Hiftoriograph. Die lettere Ernennung verdankte
er dem Rufe als Hiſtoriker, welchen ihm ſein «Tableau des révolutions du système politique
de l’Europe depuis le 15me siecle» (4 Bde., Berl. 1803 —5) gewann. Im Aug. 1810
verließ ex die Kanzel und den Lehrſtuhl, um die Erziehung des Kronprinzen zu übernehmen.
Dieſe Stellung und die großen Weltbegebenheiten führten thn zu dem Beruf des Staatsmanns.
1814 trat er als Wirklicher Geh. Legationsrath ins Miniſterium der auswärtigen Angelegen-
heiten, das damals unter der unmittelbaren Leitung des Staatskanzlers Fürſten von Harden-
berg ſtand. An dem 1817 neugebildeten Staatsrathe und dem Ausſchuſſe für die Bearbeitung
und Einführung des ſtändiſhen Weſens nahm ex als thätigſtes Mitglied Antheil. Nachdem
der Graf von Bernſtorff 1818 das Miniſterium der auswärtigen Angelegenheiten übernom-
men, wurde an A. bald vorzugsweiſe die Leitung der polit. Section überlaſſen. ©o befand er
ſich ſchon in der That an der Spitze des wichtigften Theile dieſer Geſchäfte, als 1830 die
Julirevolution ausbrah. Seine Beſtrebungen gingen dahin, den europ. Frieden dur DBer-
mittelung der ſchroffen Gegenſätze aufrecht zu erhalten, und hierin fand er ſich in voller Ueber=
einſtimmung mit den Anſichten des Königs Friedrih Wilhelm Ul. Im Mai 1831 wurde er
zum Wirklichen Geh. Rath und zum ſelbſtändigen Chef des Departements für das Fürſten-
thum Neufchâtel und Valengin ernannt, zehn Wochen ſpäter zum Staatsſecretär für die aus-
wärtigen Angelegenheiten. Im folgenden Jahr erhielt er als Staatsminiſter die definitive
Verwaltung dieſes Miniſteriums, nur daß Graf Bernſtorff noh in den Deutſchen Bundes-
angelegenheiten eine Mitwirkung bis an ſeinen Tod (28. März 1835) beibehielt. Die Wirk-
ſamkeit A.'s in dieſer hohen Stellung \{loß ſi< im allgemeinen der Richtung an, welche die
deutſchen Cabinete unter Metternich's Vortritt insgeſammt verfolgten. Erhaltung des europ.
Friedens und ängſtliche Ueberwachung jeder polit. Volksregung waren die Zielpunkte auch ſeines
Strebens. Indeſſen unterſchied ſich A. von vielen Staatsmännern ſeiner Zeit vortheilhaft
dadurch, daß er ſtets eine edle, humane Mäßigung geltend zu machen ſuchte und die innere
Reform in Geſetzgebung und Verwaltung als das Hauptmittel zur Verhinderung der Revo-
ſution erkannte. Freilich hielt er hierbei die Maxime feſt, daß die Regierung wol alles für
das Volk, nichts aber durch daſſelbe thun ſolle. A. ſtarb kinderlos 19. April 1837. Aus ſeinen
Schriften ſind noh hervorzuheben: «Mélanges de littérature et de philosophie» (2 BDde.,
Berl. 1801; 2. Aufl. Bar. 1809; 3. Aufl., 4 Bde., Par. 1823); «Ueber Souveränetät und
Staatsverfaſſung» (Berl. 1816); «Essais philosophiques, ou nouveaux mélanges de littéra-
ture et de philosophie» (2 Bde., Genf u. Par. 1817); «Ueber Staatswiſſenſchaft» (Berl.
1819); «Ueber Glauben und Wiſſen in der Philoſophie» (Berl. 1824); «Ueber den Geiſt der
Staatsverfaffungen und deffen Einfluß auf die Gefeßgebung» (Berl. 1825); «Zur Bermit-
telung der Extreme in den Meinungen» (2 Bde., Berl. 1828—31); «Pensees sur ’homme»
(Berl. 1829). Alle Schriften A.'s beruhen in wefentlichen auf denfelben vermittelnden, die
icharfen Confegtenzen meidenden Grundfägen, nach welchen er ald Staatsmann handelte.
Andarftröm (Io. Iak.), Mörder König Guftav’s TI. (f. d.) von Schweden, geb. 1762,
der Sohn eines Oberftlieutenants, kam fehr jung als Page an den fehtwed. Hof und trat dann
in die Armee, nahm aber ſhon 1783 als Hauptmann ſeinen Abſchied, worauf er fi aufs
Land begab und heirathete. Er war wilden Sinnes, rauher Sitten, geizig und von geringer
Bildung und ein Feind aller Maßregeln des Königs, zumal als dieſer die Macht des Senats
und der Großen beſchränkte. In Umtriebe auf der Inſel Gotland verwidelt, ward er 1790
als Majeſtätsverbrecher angeklagt, aber wieder freigelaſſen , da er in nihts überführt werden
fonnte. Sein Haß gegen den König wuchs hiermit, indem er während der Unterſuchung harte
Behandlung hatte erfahren müſſen. Noch 1790 ging er nah Sto>holm, und im Einver-
ſtändniß mit dem General Pechlin, den Grafen Horn und Ribbing, dem Freiherrn Bjelke,
dem Oberſtlieutenant Uljehorn u. a. ward der Tod des Königs beſchloſſen. A. forderte von
den Verfehworenen, ihm die Ausführung zu überlaſſen; allein Ribbing und Horn ſtritten mit
ihm darum. Man loſte, und das Loos entſchied für A. Als der König 1792 den Reichstag
nah Gefle berufen hatte, gingen die Verſhworenen zur Ausführung ihres Vorhabens dahin,
fanden aber keine Gelegenheit dazu. Man mußte nun bis zum 15. März warten, wo man
wußte, daß der König einen Maskenball befuchen werde. Hier ſchoß A. auf den König, den
ev tödlich verwundete. Er wide fofort entdeckt, feftgefetst und geſtand fein Berbrechen, weigerte