Die Wiege der Schweinfurter Kugel- und Kugellager-Industrie
Die 1883 gegründete Kugel-
Fabrik Fischer nimmt innerhalb der
Schweinfurter 'Kugel- und Kugel-
lager-Industrie dadurch eine Son-
derstellung ein, daß sie die Be-
gründerin dieser weltberühmten
Industrie Schweinfurts ist und hier-
durch reichen Anteil an der Ent-
wicklung der Kugel- und Kugel-
lager-Industrie Schweinfurts und
darüber hinaus an der gewaltigen Entwicklung aller
Industrien der Welt hat, die auf die Verwendung
von Kugeln und Kugellagern angewiesen sind.
Zwar wenig bekannt, aber sicher sowohl von tech-
nisch-historischem als von allgemeinem Interesse ist es,
daß die Kugel-Fabrik Fischer und mit ihr die Schweinfurter
Kugel- und Kugellager-Industrie überhaupt ihr Entstehen
im weiteren Sinne dem Erfinder des Tretkurbel-Fahrrades,
dem am 8. März 1812 zu Oberndorf bei Schweinfurt ge-
borenen Philipp Morit Fischer, verdankt.
Philipp Morit Fischer bediente sich auf dem Wege
von Oberndorf nach Schweinfurt zum Besuch der Ge-
werbeschule eines sogenannten Laufrades, wie es erst-
mals 1815 auf dem Wiener Kongreß von dem Freiherrn
Karl von Drais, fürstlichen Forstmeister in Karlsruhe, vor-
geführt worden war, und versah das Laufrad Anfang 1852
erstmalig mit Tretkurbeln. Das Tretkurbel-Fahrrad ist
also eine deutsche Erfindung, deren erste Verwirklichung
heute das Städtische Museum zu Schweinfurt ziert, wäh-
rend im Deutschen Museum in München eine getreue
Nachbildung von ihm aufgestellt ist.
Ein Sohn des Erfinders des Tretkurbel-Fahrrades, der
am 19. März 1849 zu Schweinfurt geborene Friedrich
Fischer, hatte von seinem Vater offenbar die erfinderische
Veranlagung geerbt und gründete 1883 eine mechanische
Werkstatt zur Herstellung von Fahrrädern. Die hierbei
zu den Kugellagern benötigten Kugeln mußten zu jener
Zeit einzeln hergestellt und um teueres Geld aus England
bezogen werden. Friedrich Fischer sah alsbald eine
seiner Aufgaben darin, Mittel und Wege zu finden, wie er
die Kugeln selbst und vor allem billiger herstellen konnte.
Das Ergebnis dieser Arbeiten war die Schaffung der
ersten Fischerschen Kugelmühlen, die den eigentlichen
Grundstein der jetzigen Schweinfurter Kugel- und
Kugellager-Industrie darstellen.
Friedrich Fischer bediente sich zu seinen Versuchen,
die auf verschiedenen Maschinen roh vorgearbeiteten
Kugeln rund zu mahlen, unter Zuhilfenahme von
Schmirgel zunächst eines eisernen Tellers mit Bord
und glattem Deckel. Diesen Teller versah Fischer
kurze Zeit später mit Rillen, denen er eine rauhe Ober-
fläche gab. Damit war die erste Vorrichtung zur auto-
matischen und serienmäßigen Kugelfabrikation, die
Kugelmühle, in ihren Grundzügen geschaffen.
Das Bedeutungsvollste ist jedoch nicht, daß mit diesen
ersten Kugel-Schleifmaschinen von Fischer der Grund zu
der weltberühmten deutschen Kugel- und Kugellager-
Industrie gelegt worden ist. Viel bedeutungsvoller er-
scheinen vielmehr die Auswirkungen, die sich aus den
Fischerschen Arbeiten bezw. aus den Erzeugnissen der
Schweinfurter Industrie ergeben haben. Der Einfluß,
den die Kugel- und Kugellager-Technik und die davon
im Laufe der Jahrzehnte abgeleiteten Gebiete auf den
gesamten Fahrzeugbau gewonnen haben, ist noch immer
im Fortschreiten begriffen.
Das Emporblühen der Schweinfurter Industrie und
des Fischerschen Werkes vollzog sich, nachdem erst
einmal der Grund gelegt war, sehr rasch. Die Ver-
feinerung der zahlreichen Maschinen zur Kugelherstellung
schritt in gleicher Weise vorwärts.
Bereits 1886 erhielt Friedrich Fischer die ersten Auf-
träge auf größere Serien von Kugellagern, und schon
die ersten Monate des folgenden Jahres brachten für
Fischer einen Zuwachs der Maschinen um sechs weitere
Kugelmühlen. 1889 erwies sich die bis dahin benutzte
Werkstatt als zu klein und wurde deshalb verlassen. Mit
einem erweiterten Betrieb arbeitete Fischer seit 1892/93
in der früheren Städtischen Spinnmühle zu Schweinfurt,
deren Räume jedoch ebenfalls bald nicht mehr aus-
reichten.
So legte Friedrich Fischer 1896 auf einer Fläche von
40000 qm in der Nähe des Schweinfurter Hauptbahn-
hofes den Grundstein zu der heute dort stehenden Kugel-
Fabrik Fischer. Am 30. März 1897 fand die Umwand-
lung dieser Fabrik in eine Aktien-Gesellschaift statt.
Im Jahre 1899 starb Friedrich Fischer. Hierdurch
und durch andere Umstände wurde die weitere Entwick-
lung des Lebenswerkes von Friedrich Fischer ge-
hemmt, das 1909 an eine offene Handelsgesellschaft
überging.
Seit 1909 ist durch die Tatkraft des im Mai 1925 ver-
storbenen Geheimrat Georg Schäfer und der jegigen Be-
siger Kommerzienrat Hermann Barthel und Georg Schäfer
jun. die Weiterentwicklung der Kugel-Fabrik Fischer
wieder ununterbrochen fortgeschritten. Die Werke
umfassen heute eine Gesamtfläche von mehr als
100000 qm.
Die Kugelfabrik Fischer fertigt vor allem Kugellager
an, die als Fischer-Querlager Belastungen senkrecht zur
Welle und als Fischer-Längslager Belastungen längs
der Welle aufnehmen.
Für größere Beanspruchungen ist das Fischer-Rollen-
lager bestimmt, das etwa 60% größere Belastungen als
ein gleich großes Kugellageraufnehmen kann. Die größere
Tragfähigkeit wird durch die zylindrische Form der
Wälzkörper ermöglicht.
Noch widerstandsfähiger ist dasFischer-Tonnenlager!)
(DRP.), dessen tonnenförmige Wälzkörper nach Unter-
suchungen des Staatlichen Material-Prüfungs-Amtes in
Berlin-Dahlem etwa 30% größere Bruchbelastung auf-
weisen als gleich große.zylindrische Rollen. Das Tonnen-
lager eignet sich deshalb besonders für den rauhen Be-
trieb schwerer Gleisfahrzeuge, bei denen durch Schienen-
stöße erhebliche Zusaßbeanspruchungen auftreten, zum
Einbau in Sägegatter, wo neben Sicherheit gegen Stöße
auch Einstellbarkeit verlangt wird, u. dergl.
Eine Sonderheit im Rahmen der Fabrikation der
Kugelfabrik Fischer ist das Fischer - Kugel-Differential.
Mit der Differentialwirkung des normalen Zahnrad-
differentials verbindet es eine Selbstsperrung derart, daß
niemals ein Mahlen der Räder auftreten kann.
ı) Verg]. hierzu ‚Ein neues Wälzlaßer“ in „Deutsche Motor-
Zeitschrift‘‘, 1926, Heft 11. Preis M 0,80. s
Kugel-Fabrik Fischer, Schweinfurt.- Gegründet im Jahre 1883.
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