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unterdrü>t, und jeder Arbeitsfähig ge, der fich beim Betteln ertappen läßt, aufge:
griffen und ſogleich in eine Armencolonie gebracht.
Man könnte gegen die Anlegung von Armencolonien die Frage aufwerfen,
ob nicht das anſehnliche Capital, das erfodert wird, um die Anſiedler unterzu-
bringen und wenigſtens ein Jahr lang zu ernähren, dem werbenden National-
capital entzogen, und der Gewinn in einer Gegend durch einen Verluſt in einer
andern aufgewogen werde. Aber es iſt hier ja nicht die Rede davon, ob es
nüglich fei, ein werbendes Capital von einem Zweige der Öewerbfamkeit auf eis
nen andern zu Übertragen, fondern einen gewiffen Betrag des Nationalcapitals,
der jet gänzlich vergeudet wird, ſowol für die Eigenthümer als für die Gefammt:
heit ertragbar zu machen. Das Capital, das durch die Ernährung arbeits-
fähiger Armen, durch Unterftügung müßiger Bettler verloren geht, würde bei ges
höriger Anwendung mehr als hinlänglich fein, Anſiedlungen zu gründen. Selbſt
wenn ein Theil der Nahrung, welche der Anſiedler im erſten Jahre erhalten
muß, verloren ginge, ſo würde dies ganz unbedeutend gegen den Verluſt ſein, den
die Geſammtheit erleidet, wenn ebenſo viel Nahrung von Müßiggängern verzehrt
wird, die am Ende des Jahres nichts wieder erzeugen, und im folgenden, fo lange
ſie unbeſchäftigt ſind, ebenſo viel aus derſelben mildthätigen Vorrathskammer er:
halten müſſen. Ein Blick auf die Jahresrehnungen unſerer Armenpfleganſtalten
an jedem Orte zeigt uns den ſteigenden Betrag der Summen, die zur Unterhaltung
der Armen erfodert werden, und eine genaue Unterſuchung wird es gewiß ergeben,
daß ſelbſt bei der gewiſſenhafteſten Vertheilung der milden Gaben ein großer Theil
des Bedarfs auf Arbeitsfähige fällt, und bei der gewöhnlichen Art, dieſen Beſchäf-
tigung zu verſchaffen, fallen muß. Abgeſehen aber von dieſen materiellen Fnter-
eſſen, iſt für das Geſammtwohl vor Allem der große Gewinn in Anſchlag zu brin-
gen, éinen anſehnlichen Theil der Volksmenge in den Stand gefest zu ſehen, aus
phyſiſcher und moraliſcher Verſunkenheit ſich zu glüdlichen, erwerbfähigen und
erroerbthätigen Menſchen heranzubilden, was nah dem Zeugniſſe der Erfahrung
überall der Erfolg der Armencolonien geweſen iſt, in Holland, in Holſtein, in England.
Daß es in allen Ländern Europas Wüſtungen gibt, welche urbar gemacht werden
kônnen, dürfen wir nach den Ergebniſſen. ſtatiſtiſcher Berechnungen vorausſezen,
wie denn namentlich in Beziehung auf unſer Vaterland berechnet worden ift, daß
Deutfchlands Boden, bei der Anwendung richtiger Anbaugrundfäge und befonders
bei Spatencultur, noch) ein Mal ſo viele Menſchen ernähren könnte, als jegt auf
demſelben wohnen. Eín weites Arbeitsfeld werden auch in vielen Gegenden unſere
Walder der fleißigen Hand darbieten, wenn der beherzigungswerthe und in Sachſen
bereits beachtete Borſchlag des Oberforſtraths Cotta zu Tharand ausgeführt wird,
paſſenden Waldboden auf eine beſtimmte Reihe von Jahren dem Aerbau zu wid-
men, wodurch nach feiner Behauptung ein folcher Boden auch für ſpätere Holzan-
pflanzungen deſtò fruchtbarer gemacht werden kann. Armencolonien ſind das ein-
fachfte Mittel, die Störung des Gleichgewichts aufzuheben, auf welche der engli-
ſche Philoſoph Paley deutet, wenn er ſagt: „Die Vertheilung des urſprünglich
gemeinfchaftlichen Bodens wurde gemacht und bewilligt in der Erwartung und un-
ter der Bedingung, daß Sedem hinlänglicher Lebensunterhalt oder das Mittel bleibe,
ſich denſelben zu verſchaffen, und wenn daher dieſe Vertheilung des Eigenthums
y gegen die Anſprüche der Armuth und der Noth ſtreng behauptet wird, ſo geſchieht
(4 » es im Widerſpruche mit den Abſichten Derjenigen, die ſie gemacht haben, und Deſ-
ſen, der die Welt zur Ernährung und Erquickung aller Bewohner mit Fülle ge-
ſegnet hat.”
Arnoldi (Ernſt Wilhelm), herzogl. ſächſiſcher Rath, geb. 21. Mai
1778, widmete ſih der kaufmänniſchen Laufbahn und trat, nah mehrjährigem
Aufenthalt in Hamburg, als Theilhaber in das Handelshaus f eines Vaters, Seine