Full text: A bis E (1. Band)

  
Arnoldi 107 
unterdrü>t, und jeder Arbeitsfähig ge, der fich beim Betteln ertappen läßt, aufge: 
griffen und ſogleich in eine Armencolonie gebracht. 
Man könnte gegen die Anlegung von Armencolonien die Frage aufwerfen, 
ob nicht das anſehnliche Capital, das erfodert wird, um die Anſiedler unterzu- 
bringen und wenigſtens ein Jahr lang zu ernähren, dem werbenden National- 
capital entzogen, und der Gewinn in einer Gegend durch einen Verluſt in einer 
andern aufgewogen werde. Aber es iſt hier ja nicht die Rede davon, ob es 
nüglich fei, ein werbendes Capital von einem Zweige der Öewerbfamkeit auf eis 
nen andern zu Übertragen, fondern einen gewiffen Betrag des Nationalcapitals, 
der jet gänzlich vergeudet wird, ſowol für die Eigenthümer als für die Gefammt: 
heit ertragbar zu machen. Das Capital, das durch die Ernährung arbeits- 
fähiger Armen, durch Unterftügung müßiger Bettler verloren geht, würde bei ges 
höriger Anwendung mehr als hinlänglich fein, Anſiedlungen zu gründen. Selbſt 
wenn ein Theil der Nahrung, welche der Anſiedler im erſten Jahre erhalten 
muß, verloren ginge, ſo würde dies ganz unbedeutend gegen den Verluſt ſein, den 
die Geſammtheit erleidet, wenn ebenſo viel Nahrung von Müßiggängern verzehrt 
wird, die am Ende des Jahres nichts wieder erzeugen, und im folgenden, fo lange 
ſie unbeſchäftigt ſind, ebenſo viel aus derſelben mildthätigen Vorrathskammer er: 
halten müſſen. Ein Blick auf die Jahresrehnungen unſerer Armenpfleganſtalten 
an jedem Orte zeigt uns den ſteigenden Betrag der Summen, die zur Unterhaltung 
der Armen erfodert werden, und eine genaue Unterſuchung wird es gewiß ergeben, 
daß ſelbſt bei der gewiſſenhafteſten Vertheilung der milden Gaben ein großer Theil 
des Bedarfs auf Arbeitsfähige fällt, und bei der gewöhnlichen Art, dieſen Beſchäf- 
tigung zu verſchaffen, fallen muß. Abgeſehen aber von dieſen materiellen Fnter- 
eſſen, iſt für das Geſammtwohl vor Allem der große Gewinn in Anſchlag zu brin- 
gen, éinen anſehnlichen Theil der Volksmenge in den Stand gefest zu ſehen, aus 
phyſiſcher und moraliſcher Verſunkenheit ſich zu glüdlichen, erwerbfähigen und 
erroerbthätigen Menſchen heranzubilden, was nah dem Zeugniſſe der Erfahrung 
überall der Erfolg der Armencolonien geweſen iſt, in Holland, in Holſtein, in England. 
Daß es in allen Ländern Europas Wüſtungen gibt, welche urbar gemacht werden 
kônnen, dürfen wir nach den Ergebniſſen. ſtatiſtiſcher Berechnungen vorausſezen, 
wie denn namentlich in Beziehung auf unſer Vaterland berechnet worden ift, daß 
Deutfchlands Boden, bei der Anwendung richtiger Anbaugrundfäge und befonders 
bei Spatencultur, noch) ein Mal ſo viele Menſchen ernähren könnte, als jegt auf 
demſelben wohnen. Eín weites Arbeitsfeld werden auch in vielen Gegenden unſere 
Walder der fleißigen Hand darbieten, wenn der beherzigungswerthe und in Sachſen 
bereits beachtete Borſchlag des Oberforſtraths Cotta zu Tharand ausgeführt wird, 
paſſenden Waldboden auf eine beſtimmte Reihe von Jahren dem Aerbau zu wid- 
men, wodurch nach feiner Behauptung ein folcher Boden auch für ſpätere Holzan- 
pflanzungen deſtò fruchtbarer gemacht werden kann. Armencolonien ſind das ein- 
fachfte Mittel, die Störung des Gleichgewichts aufzuheben, auf welche der engli- 
ſche Philoſoph Paley deutet, wenn er ſagt: „Die Vertheilung des urſprünglich 
gemeinfchaftlichen Bodens wurde gemacht und bewilligt in der Erwartung und un- 
ter der Bedingung, daß Sedem hinlänglicher Lebensunterhalt oder das Mittel bleibe, 
ſich denſelben zu verſchaffen, und wenn daher dieſe Vertheilung des Eigenthums 
y gegen die Anſprüche der Armuth und der Noth ſtreng behauptet wird, ſo geſchieht 
(4 » es im Widerſpruche mit den Abſichten Derjenigen, die ſie gemacht haben, und Deſ- 
ſen, der die Welt zur Ernährung und Erquickung aller Bewohner mit Fülle ge- 
ſegnet hat.” 
Arnoldi (Ernſt Wilhelm), herzogl. ſächſiſcher Rath, geb. 21. Mai 
1778, widmete ſih der kaufmänniſchen Laufbahn und trat, nah mehrjährigem 
Aufenthalt in Hamburg, als Theilhaber in das Handelshaus f eines Vaters, Seine 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.