Artefifhe Brunnen 109
lich wichtig iſt, und außerdem zur Auffindung von Kohlen, Kalk, Salz u. a. nußz-
baren Mineralſtoffen in Gegenden führen kann, wo man das Daſein derſelben nim-
mer vermuthete. Obgleich die Bohrbrunnen ihren gewöhnlichen Namen, arteſiſche
Brunnen, puits artesiens, der Grafſchaft Artois in Frankreich verdanken, wo fie
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ſchr in Aufnahme kamen, ſo ſind ſie doch
keineswegs eine Erfindung der Franzoſen, ſondern weit früher in Oſtreih und
Oberitalien in Gebrauch geweſen als in Frankreich. Daß ſeit noch längerer Zeit in
China Bohrbrunnen gebraucht und noch gegenwärtig zur Gewinnung ſowol von.
Salzſoolen als auch von brennbaren Gaſen bis zu den erſtaunlichen Tiefen von 2009,
ja 3000 Fuß niedergebracht werden, kann allenfalls wahr ſein, ohne daß daraus zu
folgern wäre, eine an ſich ſo einfache Jdee ſei aus dem Oriente nach Europa ge=
fommen. Vielmehr mag wol der Zufall in Oberitalien oder Oſtreich ebenſo auf die
Erfindung derſelben geführt haben, wie noh 1315 der Pumpenmacher Nigge zu
Münſter ganz zufällig einen arteſiſchen Brunnen herſtellte, ohne vielleicht jemals
etwas von Brunnen der Art gehört zu haben, — Die Theorie der artefifchen Brunnen
iſt hôchſt einfach und, ihrem Weſen nach, keine andere als die jedes Springbruna
nens. Denkt man ſich z. B. eine mehre hundert F. lange, gegen die Horizontalebene
geneigte Röhrfahrt mit Waſſer gefüllt, ſo wird das letztere aus jeder in dev Röhre
wand vertical aufwärtsgebohrten Offnung mit um ſo größerer Gewalt und zu einer
um ſo größern Höhe emporſpringen, je tiefer der angebrachte Punkt in der Röhrs
fahrt liegt. Die Höhe, bis zu welcher das Waſſer ſpringt, würde, wenn man von
den mancherlei hydrauliſchen Hinderniſſen und dem Widerſtande der Luft abſtrahirt,
genau dem ſenkrechten Abſtande des angebohrten Punktes unter dem obern Niveau
des Waſſers in der Röhrfahrt gleich kommen. Stellt man ſich vor, das Waſſer ſei
nicht in einer geneigten Röhre, ſondern zwiſchen zwei, weit ausgedehnten, parallelen,
gegen den Horizont geneigten waſſerdichten Wänden eingeſchloſſen, ſo würde der
Erfog offenbar ganz derſelbe ſein. Aus jedem verticalen Bohrloche in der obern
Wand würde das Waſſer um ſo heftiger und höher aufwärts ſpringen, je tiefer der
angebohrte Punkt liegt. Statt der obern Wand könnte man ſich auch eine, nach
allen Richtungen und alſo auch aufwärts ausgedehnte, waſſerdichte Maſſe denken,
durch deren ganze Mächtigkeit das verticale Bohrloch hindurchgetrieben wird, welz
ches dann als eine förmliche Steigröhre für den freigewordenen Strahl der eingepreßz
ten Wafferfchicht zu betrachten wäre. Diefe fegtere Vorftellung entfpricht vollfoms
men den Verhältniſſen, wie ſie von der Natur ſelbſt im Großen hervorgebracht fein
müſſen, ſobald die Anlage eines arteſiſchen Brunnens gelingen ſoll. Eine zwiſchen
zwei waſſerdichten und in ihrer Geſammtausdehnung gegen den Horizont geneigten
Gebirgsſchichten eingepreßte Waſſerſchicht iſt die erſte Bedingung für die Mögliche
£eit artefifcher Brunnen. Allein außer dieſer erſten abſoluten, iſt eine zweite relative
Bedingung für die Möglichkeit eines ſolchen Brunnens an einem beſkimmten
Punkte der Erdoberfläche, daß dieſer Punkt über der eingepreßten Waſſerſchicht,
jedoch viel tiefer als das obere Niveau derſelben gelegen ſei. Sobald man ſich dur
geognoſtiſche und geodätiſche Unterſuchungen von dem Vorhandenſein dieſer beiden
Bedingungen überzeugt hat, ſo iſt das Maximum. der Wahrſcheinlichkeit vorhan-
den, daß die Anlage eines arteſiſchen Brunnens gelingen werde. Und glüklicher-
weiſe ſind beide Bedingungen in der Natur ſehr häufig verwirklicht. Es iſk bekannt,
daß die neuern und neueſten Gebirgsformationen aus abwechſelnden, mächtigen
Schichtenſyſtemen von Sandſtein, Kalkſtein, Mergel, Thon und Sand beſtehen,
welche fich oft mit einer bewundernswerthen Stetigkeit ber große Landſtriche
ausbreiten und meiſt in der Art folgen, daß die verſchiedenen ſandſteinartigen
und ſandigen Bildungen durch kalkige, mergelige und thonige Bildungen von ein-
ander abgeſondert werden. Jm flachen Lande liegen dieſe Schichten gewöhnlich
vóllig oder beinahe horizontal; allein am Fuße der, das flache Land umgebenden