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Lieder erſchien 1815 unter dem Titel: „Chansons morales et autres“, und ent-
hielt bereits einige ſeiner Eräftigften Dichtungen, welche die ſcharfe Satyre oft unter
den heitern Tönen des Trinkliedes oder des lüſternen Anakreontiſchen Geſanges
verbargen. Jn ſpätern Liedern trat ſie offener und kühner hervor. Die Regierung
nahm ihm ſeine geringe Stelle. Endlich entſchloß fie ſich (1821) ihn vor Gericht
zu ziehen, als durch die Bemühungen ſeiner Freunde für eine neue Ausgabe ſeiner
Gedichte 10,000 Unterzeichnungen gewonnen waren. Der königliche Fiscal Mar:
changy legte ein beſonderes Gewicht auf dieſen Umſtand, worin er eine fortdauernde
Herausfoderung der Regierung finden wollte, und bezeichnete mehre Lieder als gott:
[08 und zur Empörung auffodernd. Das Gericht verurtheilte den Dichter, aber
die Regierung erreichte ihre Abſicht um ſo weniger, da die für anſtößig erklärten
Gedichte, die als Anhang der vollſtändigen Proceßverhandlungen im Druck erfchies
nen, dadurch weit verbreitet wurden. Geine „Chansons inedites”, die 1828 er:
ſchienen, gaben Anlaß zu einer neuen Anklage, die auf Beleidigung des Königs und
der königlichen Familie und auf Schmähung der Staatsreligion durch einige Lieder
(„Les infiniment petits ou la gerontocratie”, „Le sacre de Charles le simple” und
„Lange gardien‘), welche die fpottenden Anſpielungen allerdings kaum verſchleier-
ten, gerichtet war. DB. wurde zu neunmonatlicher Haft und zu 10,000 Frans
Geldſtrafe verurtheilt, E83 ward alsbald eine Subſcription eröffnet, die beſonders
Lafitte, der Gönner des Dichters, beförderte, um die Strafgelder aufzubringen,
und der glänzende Ertrag gab dem Verfolgten eine reichliche Entſchädigung. B.
nahm thâtigen Antheil an der Juliusrevolution und an den Berathungen der Män-
ner, welche dieſes Ereigniß zu Rettung der öffentlichen Freiheit benußten ; aber die
Ämter und Würden, die man ihm anbot, fhlug er aus, um ſeine Unabhängigkeit
zu bewahren, wie er in den hundert Tagen das einträgliche und einflußreiche Amt
eines Cenſors abgelehnt hatte. Seitdem machte er nur wenige Geſänge bekannt,
3. B. zwei Polenlieder („‚Polonaises”) und ein Lied an ſeine zu Miniſtern erho-
benen Freunde. Chateaubriand's freiwillige Verbannung begeiſterte ihn (1831)
von Neuem, und in beredten Strophen bat er ihn, der „bei der Rückkehr des alten
Königsgefchlechtes, ihres Zepters treue Stüße,
Crut aux Bourbons faire adopter pour fille
La liberte qui se passe d’aieux.’’
nach Frankreich heimzukehren. Chateaubriand antworteté in einem, feiner Flug:
fehrift: „Sur le bannissement de Charles X”, vorgefegten Schreiben, worin er
unter andern ſagte, daß in B.’s Liedern die höchfte Vollendung unter der lieblich:
ften Einfachheit fich verberge. Er hat mit dieſen Worten einen Hauptcharakter die-
ſes Dichters bezeichnet, deſſen Eigenthümlichkeit in einer von allen Einflüſſen des
Claſſicismus oder Romanticismus durchaus freien Entwickelung eines echt fran-
zöſiſchen Geiſtes beſteht. Wenn Vaterlandsliebe und der Gedanke an den Ruhm
und die Demütl yigung feines Volkes ihn begeiſtern, erhebt ſich mit edlem lyriſchen
Schwunge der. Sänger, der in feinen Trinkliedern ſich anmuthiger Fröhlichkeit
Uberläßt, ohne die Schranken des Anſtandes zu durchbrechen; in ſeinen politiſchen
Satyren iſt jede Strophe, jeder Schlußreim ein verwundender Pfeil, und ſelbſt
wo die Parteiſucht des unverföhnlichen Spötters einen reinen Genuß hindert, er:
gest das Spiel des ſprudelnden Wies. Aber er weiß auch Munterkeit und Pathos
glücklich zu vereinigen, und wie er ſelber („La bonne vieille“) von ſich ſagt: „d'un
luth joyeux il attendrit les sons“, Auch in der ſinnlichen Auffaſſung der Liebe, ohne
alle Sentimentalität, zeigt ſich die reine Nationalität des Dichters. Verirrt er ſich
zuweilen, ſagt ein geiftreicher Landsmann von ihm, fo überfehen wir’s; gleicht doch
ſeine Muſe faſt immer den Bildiwerfen des Alterthumes, die fo fchön find, daß nur
die Verkehetheit daran denken könnte, daß ſie na>t ſind. Die neueſte Sammlung
feiner Lieder erſchien 1831 zu Paris: „Chansons de P.-J. Beranger, anciennes,
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