Full text: A bis E (1. Band)

  
278 Bornhaufer 
ten gewarnt, als ſei ſein Leben bedroht, und der Nachtwächter zeigte ihm an, er habe în 
nächtlicher Stunde verdächtige Geſtalten vor B.?s Schlafzimmer geſehen. Da Elopfte 
am 2. Jan. 1831 Morgens 4 Uhr Häberle, ein dem Volke als Anwalt und Geldmát: 
ler verhaßter, ariſtofratiſch. geſinnter Mann, an die Pfarrwohnung in Mazingen, 
we>e B. aus dem Schlafe und legte, von dieſem freundlich aufgenommen, einen 
fcharfgefchliffenen Dolch auf den Tifch unter der Außerung, ex fei in Berfuchung 
geweſen, mit dieſem Werkzeuge an ihm zum Mörder zu werden. Da Hâäverle zu 
gleicher Zeit ein Neues Teſtament aus der Taſche 308, um ſeine Anſichten vom 
göttlichen Rechte der Obrigkeit damit zu beweiſen, ſo wußte B. ihn hinzuhalten, 
bis ſeine Gattin und Magd aufgeſtanden, worauf er den religiós-politiſchen 
Schwärmer entließ mit dem Vorfase, den Vorfall zu verheimlichen. Die Erſchei: 
nung dieſes verdächtigen Gaſtes aber; der überdies viel von einer Verſchwörung 
ſprach, die gar leicht an dieſem Tage im Rathsſaale ſelbſt zu blutigen Auftritten fühs 
ren Eönnte, machte B?'s Frau ſo beſorgt, daß fie ihn der Sizung des großen Ras 
thes nicht anders beiwohnen laſſen wollte, als wenn zwei ins Geheimniß einge- 
weihte Männer darüber wachten, daß weder Häberle noch ſonſt ein Verdächtiger 
an ſeine Seite ſich dränge. Dem Umſtande, daß dieſe vermuthlich das auferlegte 
Stillſchweigen nicht ſtreng genug beachteten, find die fpätern Auftritte zuzufchreis 
ben. Zwar ging der 3. Jan. ruhig voräber, am 4. aber wurde der große Nath 
plöglich in feinen Verhandlungen unterbrochen. Dumpfe Gerüchte hatten fich vers 
breitet, B. ſei ermordet worden. Mehr als 1500 Männer ſtrömten buntbewaff: 
net und wuthentbrannt nach Frauenfeld, dem geliebten Todten eine ſchre>liche Leis 
henfazfel anzuzünden. B. ſuchte zwar durch ſeine Gegenwart und durch die Vers 
ſicherung, er ſei nicht angetaſtet worden, ſowie durch offene Briefe die Zürnenden 
zu beſchwichtigen ; ſie beharrten aber darauf, daß Häberle gefangen gefegt und vers 
hört werde, und da dieſer, dem es vor der wachſenden Bolkswuth bangte, ſchriftlich 
daffelde Begehren ausfprach, ſo geſchah es. Am folgenden Tage wiederholte ſich 
dieſer Auftritt, weil das Volk zweifelte, daß Häberle, in welchem e8 nur das War 
zeug einer größern Verſchwörung erblickte, ſicher bewacht, unparteiiſch verhört und 
gerichtet werde. Auch jegt that B. Alles, um Ausſchweifungen zu verhüten, ſelbſt 
auf die Gefahr hin, die Volkswuch auf ſich zu ziehen. Später, als manche Um- 
ſtände ſich geändert, wurde Häberle vom Verdacht eines Mordverſuchs freigeſpro- 
chen, und ſein Schritt nur für ein polizeiwidriges Benehmen erklärt. Das Volk 
fand das Urtheil erklärlich, aber in den Acten Manches râthſelhaft; die ari 
ſtokratiſchen Blätter hingegen tadelten bitter, daß B. die Sache nicht ganz ver: 
ſchwiegen habe. Beachte der Häberle’fhe Handel auf der einen Seite einigen 
Schätten in das bis jezt heitere Gemälde der Berfaffungsreform, fo hatte er 
auf der andern den Vortheil, daß auf diefe nachdeiickliche Erklärung des Volkes alle 
Gegenſtrebungen der Ariſtokraten aufhörten. Raſch begann die Verfaſſungs- 
commiſſion, von B. geleitet, von Eder's Gewandtheit und Erfahrung, von Keller's 
conſequenter Freiſinnigkeit unterftüst, ihre Arbeiten. Bald war der Entwurf volle 
endet. Anerkennung der VBolksfouverainetät, Rechtögleichheit der Bürger, directe 
Wahlen des Volkes für den großen Rath, kurze Amtsdauer der Behörden, Tren- 
nung der Gewalten, Petitionsrecht, Offentlichkeit, Preßfreiheit, Religiónsduldung 
für alle chriſtliche Confeſſionen, Streben für beſſere Volkserziehung — das ſind die 
Hauptgrundlagen, auf welchen dieſe Verfaſſung ruht. Wenn fie dieſes mehr und 
minder mit andern neuen ſchweizeriſchen Verfaſſungen gemein hat, ſo iſt die ſcharfe 
Trennung der vollziehenden Behörde von der gefeggebenden und ein gewiſſes Stre- 
ben nach inniger Vereinigung in der Schweiz ein Zug, der ihr eigenthúmlich ange- 
hört. Daſſelbe gilt auch von dem Ausſchuß, den der große Rath in bedenklichen 
Zeiten zu ernennen hat. Die Verfaſſung wurde, nachdem der große Rath einige 
Vezánderungen am Entwurfe dev Sochjehnereommiffion vorgenommen hatte, am 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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