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Braſilien 297
In deram 1. April d. Y. vom Kaiſer eröffneten Sizung ber gefeßgebenden Verſamms
[ung klagte der Monarch als eine Urſache dieſes Aufruhrs unter Anderm auch die
Zügelloſigkeit der Preſſe an *)z er empfahl die nothwendige Verbeſſerung der
Mechtöpflege und ließ einen Gefegentwurf über die Naturaliſation der Ausländer
. vorfegen, forvie den Plan zur Errichtung einer neuen Bank, um die Finanzen hers
zuſtellen. Allein in den lebhaften Debatten über die Bankangelegenheit und übers
haupt zeigte ſich wenig Übereinſtimmung zwiſchen den Miniſtern und der Kammer,
Der Kriegsminiſter Alvarez wurde von der Verſammlung, wegen der Niederſezung
der ſchon erwähnten Militaircommiſſion in Pernambuco ohne Erlaubniß der gefegs
gebenden Gewalt, in Anfpruch genommen und nur mit 39 Stimmen gegen 32
freigeſprochen, mußte aber dennoch ſeine Stelle niederlegen. Jndeß ſprach ſich die
Oppoſition nicht ſowol gegen die Miniſter als gegen den Kaiſer ſelbſt aus. Über-
haupt bezwe>te die geſezgebende Verſammlung große Reformen. Eine neue Bank
von 50,000 Actien, jede zu 200 Milrees (zu 1-Thlr. 13 Gr.), wurde zwar errichs
tet; aber der Miscredit des ſih hâufenden Papiergeldes erſchwerte den Verkehr
und ſteigerte den Zinsfuß von 12 auf 18 vom Hundert. Pernambuco weigerte
fich fortwährend, Papiergeld ‘anzunehmen. Die beredteſten Senatoren und
Deputirten erklärten ſich daher für den Verkauf der überflüſſigen Güter der Geiſt-
lichkeit. Jn dem Senate ward von Verqueira der Vorſchlag gemacht, daß die
Ehen auch vor dem Friedensgerichte gültig vollzogen werden ſollten. So ſehr
hatte der Einfluß der freilih in Braſilien tiefgeſunkenen und fittlich entarteten
Geiſtlichkeit abgenommen! Mehre Klöſter und Kirchengüter wurden zum Vers
kauf beſtimmt, um die Schulden der Regierung an die Bank zu de>en. Gegen die
Pflanzer, welche die Grauſamkeit ſo weit getrieben hatten, ihre Neger lebendig bes
graben zu laſſen, wurde kräftige Maßregeln beſchloſſen. Zur Beförderung des Ver-
kehrs i in den Binnenprovinzen, vorzüglich um den Transport der Baumtoolle aus
dem Innern zu erleichtern, ward die Anlegung des Canals von Maranhon untere
nommen. Übrigens- rúgte man ſehr bitter in den Kammern die monopolartige
Hökerei, welche die Staatsbehörden bei Verſorgung der Hauptſtadt mit Rindvieh
und Schweinen trieben, ſowie den kaiſerlichen Wucher, in Folge deſſen zu Rio
20 Vendas (Schenkwithſchaften) für Rechnung des kaiſerlichen Schaßes gehalten
wurden. Man beſchwerte ſich Uber die Ungerechtigkeit, womit das Grundeigens
thum des kaiſerlichen Luſtſchl oſſes Santa-Cruz durch angeblich beſtochene kaiſerliche
Ingenieurs erweitert-und ein Nachbar aus dem Befige ſeiner Kaffeeplantage vers
trieben worden war, fo laut, daß der Kaifer ſeinen Anſpruch auf dieſes Privateigens
tbum aufgab. Mit:großer Heftigkeit wurde das in London zur Dedung der zwei-
jährigen Zinſen der alten Schuld abgeſchloſſene Anlehen von 800,000 Pf., wels
ches mit dem Verluſt von 50 Procent’ zu Stande gefommen war, getabelt. Zulegt
weigerte fich die Deputirtenfammer, das vorgelegte Budget zu bewilligen. Um
das Deficit zu deen, welches der Finanzminiſter Miguel Calmon du Pin e Als
meida auf 7 Millionen Dollars angab, die Deputirtenfammer aber auf-die Halfte
berechnete, drang die Verſammlung, auf ſtarke Verminderung der Armee und der
Seemacht, auf Einziehung der Sinecuren und der Botſchafterſtellen, ſowie auf
Beſchränkung des bisherigen Aufwandes bei Hofe, endlich verlangte fie die Verab-
ſchiedung der fremden Dffiziere auch bei der Marine, und zwar unter fo heftigen
Äußerungen gegen die Miniſter und den Kaiſer ſelbſt, daß diefer fich am 3. Septeme
ber entſchloß, die Wahlkammer aufzulöſen, deren vierjährige Dauer ohnehin mit
dem 3. Sept. 1829 abgelaufen roar. Die lakoniſche Art, wie Don Pedro dies that:
„Erlauchte und würdige Repräſentanten der braſiliſchen ‘Nation, die Sigung ift ges
*) Das demokratifhe Oppofitionsblatt: ‚Aurora fluminense’, tadelte bitter alle
Maßregeln der Regierung. Die „Malaguetta‘' war voll von Perfönlichkeiten,