Ägypten 39
ternehmungen gewöhnt, mit europäiſchen Ländern, beſonders mit Frankreich, an-
Enüpfte, um die reichen Erzeugniſſe ſeines Landes vortheilhaft zu benußen, machten
ihn immer mehr mit den Jdeeneiner in Agypten unbekannten Civiliſation vertraut.
Der Gewinn, der ihm aus dieſem Verkehr zufloß, trug dazu bei, ſeine Macht zu be-
feſtigen, aber er wußte, daß die Pforte, die ihn (1806) nur ungern zum: Statthalter
Ägyptens ernannt hatte, ihn mit eiferſüchtigen Bli>ken betrachtete, und die Kriegs-
unternehmungen, in welche dieſe Eiferſucht ihn verwwicelte, dienten dazır, feine
Entwürfe zu begünſtigen. Mit der Politik, welche die Pforte. gegen übermächtige
Statthalter gewöhnlich beobachtet, hatte ſie dem Paſcha den Krieg gegen die Wa-
habi (ſ. Bd. 42) aufgetragen, aber wenn ſie auch vermuthen konnte, daß der hoch-
ſtrebende Mann, einmal zum Kampfe gerüſtet, zu weitern. Unternehmungen fort-
ſchreiten: werde, ſo hatte fie wol nicht vorausgeſehen, daß er ſich ein europäifch geord-
netes Heer bilden werde, welches ihn nur noch. furhtbarer machen mußte. Nach der -
Wiedereroberung. der heiligen Städte Mekka und Medina. zog ſich der Krieg in der
Landſchaft Hedſchas ohne entſcheidende Erfolge in die Länge, bis Tuſſun Paſcha,
Mohammed’s Sohn, endlich mit Abdallah Saud, dem Häuptlinge der Wahabi,
einen Waffenſtillſtand ſchloß. Beide Theile rüſteten ſich zu neuen Anſtrengungen.
Um: diefe Zeit (im Jul. 1815). verordnete Mohammed die neue Einrichtung des
Heerweſens, welche er, wie einſt Selim UI, Nizam Dſchedid (\. Bd. 7)
nannte. Er gab den Befehl, daß. die von ſeinem Sohne Ismail angeführten Kriegs:
vólfer nach europäifcher Weife geübt werden ſollten, Die Soldaten: murrten: und
| nannten: ihn den Chriſtenpaſcha, und da die Offiziere ihren neuen Dienſtpflichten
nicht minder abhold waren, ſo- erfolgte ein Aufſtand. Mohammed mußte ſich in
das feſte Schloß zu Kahira zurüziehenz die Stadt wurde der Schauplas wilder
Geſegloſigfeit, und obgleich Mohammed die Ordnung wiederherſtellte, ſo ſchien es
doch, als ſollte die neue Heerbildung aufgegeben werden. Die Gemüther beruhigten
| ſich allmälig, aber der kluge Paſcha wollte nicht ſogleich wieder ſeine Entwürfe auf:
nehmen und ſchi>te 1816 ein neues Heer, wie die frühern aus unregelmäßigen
Kriegsvölkern. beſtehend, nach Hedſchas. Sein angenommener*) Sohn Ibrahim
Paſcha war der Führer des Kriegszuges, welchem. auch die aufrühriſchen Albauier
fich anſchließen mußten, die Mohammed?s Entwürfe flören konnten. Jbrahim
führte den Krieg, wiewol nicht ohne großen Verluſt, doch mit Tapferkeit bis 1818,
wo er Derajeh, die Feſtung der Wahabi, eroberte und Abdallah Saud. gefangen
è nahm. Nach ſeiner Rúkehr waren noch viele unregelmäßige Kriegsvölker, Türken
4 und Albanier, in Agypten, und theils. die Abſicht, dieſe Feinde ſeiner Entwürfe zu
entfernen, theils die Hoffnung, reiche Schäge an Gold und Handelswaaren zu ge-
winnen, bewog den Paſcha, unter ſeinem Sohne Jsmaiït 1820 ein Heer nach) Sen:
naar zu ſchi>en, dem der franzöſiſche Reiſende Cailliaud (ſ. d.) folgte. Einige
Monate ſpâter zog einm Schwiegerſohn Mohammed's mit einem neuen Heere aus
Ägypten, um das zu Dar-Fur gehörige Kordafan zu unterwerfen, und mit dieſem
Zuge verließen die legten unregelmäßigen Kriegsvölker das Land.
Bald nach der Entfernung dieſer unruhigen Scharen nahm Mohammed ſeine
Entwürfe mit neuem Eifer auf. Er ließ in Oberägypten ein Lager einrichten, in
welchem die zur Führung neugeworbener Kriegsvölker beftimmten Dffiziere gebildet
werden ſollten. Der Oberſt Seve, ehemaliger Adjutant des Marſchalls Ney, ward
auf Empfehlung des franzöſiſchen Conſuls Drovetti, der Mohammed's ganzes Ver-
trauen beſaß, als Lehrer angenommen. Mohammed ſchi>te in dieſe neue Kriegs-
ſchule ſeine eigne Leibwache und die Mamluken ſeiner vornehmſten Beamten.
Aus Frankreich langten Gewehre an, man machte hölzerne Trommeln, und die
Sache kam bald in Gang, Später wurde dieſes Bildungslager nah Aſſuan an der
*) So nennt ihn Planat in dem unten anzuführenden Werke,
